Biographisches Lexikon zur Geschichte Südosteuropas

In den Suchergebnissen blättern

Treffer 
 von 1526

Bleyer, Jakob

Bleyer, Jakob, Germanist und Führer der deutschen Bewegung in Ungarn, * Dunacséb 25.1.1874, † Budapest 5.12.1933, aus einer wohlhabenden donauschwäbischen Bauernfamilie in der südlichen Batschka.

Leben

Nach dem Besuch der ungarischen Gymnasien in Neusatz und Kalotscha wandte sich B. dem Studium der Philologie, insbesondere der Germanistik, zu. 1897 promovierte er an der Budapester Universität als Schüler von Gustav Heinrich und Gideon Petz. Nach der Tätigkeit als Gymnasiallehrer in Budapest und Ödenburg sowie einem einjährigen Studienaufenthalt (1903/1904) in München (bei Hermann Paul) und Leipzig (bei Eduard Sievers und Karl Lamprecht) habilitierte er sich 1905 in Budapest zum Privatdozenten. 1908 erhielt er einen Ruf als ordentlicher Professor nach Klausenburg, 1911 an die Universität Budapest.
Als Wissenschaftler bemühte sich B. um die Erforschung der deutsch-ungarischen literarischen Wechselbeziehungen. Diesem Problemkreis galten seine Dissertation („Magyar vonatkozású történeti német népénekek 1551-ig“ = Historische deutsche Volkslieder mit ungarischen Beziehungen bis 1551) und seine Habilitationsschrift („A magyar hún-monda germán elemei“ = Die germanischen Elemente der ungarischen Hunnensage) sowie zahlreiche spätere Arbeiten. B. erkannte die große Bedeutung der Kaiserstadt Wien als Umschlagplatz und Vermittlerin des westlichen Kultureinflusses auf Südosteuropa. Er hat maßgeblichen Anteil am Zustandekommen einer bodenständigen ungarländisch-deutschen Forschung, die sich mit den Äußerungen der eigenen Volkskultur beschäftigte. Die zahlreichen von ihm angeregten einschlägigen siedlungs- und kulturgeschichtlichen, literarhistorischen und volkskundlichen Arbeiten erschienen in der von ihm gemeinsam mit Gideon Petz und Heinrich Schmidt ab 1912 herausgegebenen Reihe „Német philológiai dolgozatok“ (Arbeiten zur deutschen Philologie) sowie in der von ihm ab 1929 geleiteten Zeitschrift „Deutschungarische Heimatblätter“. Der große Aufschwung, den die deutsche Südosteuropaforschung von den dreißiger Jahren an genommen hat, geht vielfach auf B.s Anregungen und Initiativen zurück.
B.s politische Laufbahn begann 1917 mit der Veröffentlichung kulturpolitischer Aufsätze, in denen er in maßvollem Ton auf die durch die rigorose Magyarisierungspolitik der ungarischen Behörden unhaltbare kulturelle Situation der Deutschen in Ungarn, insbesondere seiner schwäbischen Volksgruppe, hinwies und die Respektierung ihrer kulturellen Eigenart forderte. Am 1. November 1918 stellte sich B. an die Spitze des „Deutschungarischen Volksrates“ und wurde, nachdem er sich aktiv an der Gegenrevolution und am Sturz der kommunistischen Regierung Béla Kuns beteiligt hatte, am 15. August 1919 Nationalitätenminister. Er setzte sich, allerdings erfolglos, für die territoriale Unversehrtheit Ungarns ein, die er im Verein mit seiner Regierung durch großzügige Zugeständnisse an die nichtmagyarischen Volksgruppen, die zum größten Teil eine Lostrennung vom ungarischen Staatsverband wünschten, zu erhalten hoffte. Nach wiederholten Anfeindungen trat er am 16. Dezember 1920 zurück, nahm wieder seine Lehrtätigkeit an der Universität auf und widmete sich fortan ganz der kulturellen und politischen Stärkung der nach dem Vertrag von Trianon auf ungefähr eine halbe Million zusammengeschrumpften Deutschen Ungarns. Durch die Gründung des „Sonntagsblattes für das deutsche Volk in Ungarn“ (1921), des „Ungarländisch Deutschen Volksbildungsvereins“ (1924) und durch seine aufsehenerregenden Parlamentsreden als Abgeordneter (1926-1933), in denen er die minderheitenfeindliche Schulpolitik und die sich verhärtenden Magyarisierungstendenzen des ungarischen Staates anprangerte, wurde B. zum unumstrittenen Führer der Deutschen in Ungarn. Wenn B. auch als Politiker im wesentlichen scheiterte, da er die zeitlebens angestrebte Überwindung der Gegensätze zwischen Magyaren und Deutschen nicht erreichte, so gelang es ihm immerhin, daß die Deutschen Ungarns sich in wachsendem Maße als Eigenwert zu sehen begannen.

Literatur

Pukánszky, Béla von: Jakob Bleyer. In: Handwörterbuch des Grenz- und Auslanddeutschtums. Hrsg. Karl Petersen (u. a.). Bd 1. Breslau 1933, 479-480.
Klein, Karl Kurt: Germanistik in Ungarn. In: Südostdt. Heimatbl. 3 (1954) 3-23.
Weidlein, Johann: Jakob Bleyer (1874-1933). In: Alemann. Jb. 1954, 405-420.
Moser, Hugo: Jakob Bleyer als Wissenschaftler. In: Südostdt. Arch. 2 (1959) 171-185.
Schwind, Hedwig: Jakob Bleyer. Ein Vorkämpfer und Erwecker des ungarländischen Deutschtums. München 1960 (mit Bibliographie).

Verfasser

Anton Schwob (GND: 119531100)

GND: 118663933

Weiterführende Information (Deutsche Biographie): https://www.deutsche-biographie.de/pnd118663933.html


RDF: RDF

Vorlage (GIF-Bild):  Bild1   Bild2   

Empfohlene Zitierweise: Anton Schwob, Bleyer, Jakob, in: Biographisches Lexikon zur Geschichte Südosteuropas. Bd. 1. Hgg. Mathias Bernath / Felix von Schroeder. München 1974, S. 214-215 [Onlineausgabe]; URL: https://www.biolex.ios-regensburg.de/BioLexViewview.php?ID=581, abgerufen am: (Abrufdatum)

Druckerfreundliche Anzeige: Druckerfreundlich

Treffer 
 von 1526
Ok, verstanden

Website nutzt Cookies, um bestmögliche Funktionalität bieten zu können. Mehr Infos