Biographisches Lexikon zur Geschichte Südosteuropas

Trikupis, Spiridon
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Trikupis, Spiridon

Trikupis, Spiridon, griechischer Politiker, * Mesolongi 19. (8.)04. 1788, † Athen 24. (12.)02. 1873, ältester Sohn des Honoratioren, Teilnehmers am Unabhängigkeitskrieg und Mitglieds des Senats des westlichen Festlands, Ioannis T. († 30.07.1824), verheiratet mit der Schwester des Politikers Alexandros Mavrokordatos, Ekaterini († 15.07.1871), die mütterlicherseits aus der Fanariotenfamilie Karatzas / Caragea stammte, aus der Hospodare der Walachei hervorgegangen waren; Vater des Charilaos T.

Leben

T. wurde in Mesolongi von den berühmten Gelehrten Panajotis und Grigorios Palamas unterrichtet. In Patras, wo er seine Studien fortsetzte, diente er als Sekretär des britischen Konsulats und lenkte die Aufmerksamkeit des Philhellenen Frederick Lord North, Earl of Gmlford (1796-1827) auf sich. Durch dessen Protektion konnte er sich nach kurzem Aufenthalt in Istanbul auf Einladung des ökumenischen Patriarchen Gavriil und vorübergehender Tätigkeit in der Gemeindeverwaltung von Mesolongi zur Unterstützung seines Vaters sechs Jahre im Ausland weiterbilden: In Rom und Paris studierte er Philologie und Philosophie, seine Beobachtungen in England, wo er die Bekannntschaft George Cannings machte, prägten sein politisches Denken. Nach dem Ausbruch des Unabhängigkeitskrieges, in dem zwei seiner Brüder, Manthos und Konstantinos, fielen, beteiligte er sich 1822 an dem von Mavrokordatos geleiteten Feldzug. Während des Krieges übernahm  er eine Mission auf den Ionischen Inseln und arbeitete eng mit Noel Lord Byron zusammen. 1824 wurde er erstmals zum Abgeordneten von Mesolongi gewählt, am 24. (12.) April 1826 berief ihn die Nationalversammlung von Epidauros in den elfköpfigen Regierungsausschuß, auf dessen Arbeit er mäßigend und vermittelnd einwirkte. Ioannis Kapodistrias ernannte ihn am 4. Februar (23. I.) 1828 zum Generalstaatssekretär (Ministerpräsidenten), doch geriet T. bald in scharfen Gegensatz zum paternalistisch-autoritären Regime des Regenten. Als Kapodistrias die Machtposition der auf Beschränkung und Kontrolle seiner Herrschaft drängenden Eliten durch eine Ausweitung des Stimmrechts und Änderungen der Wahlordnung unterminieren wollte, trat T. zurück, ließ sich aber bewegen, das für ihn geschaffene Sekretariat der Auswärtigen Angelegenheiten zu leiten. 1829 schied er endgültig aus der Regierung aus, wurde 1830 nach Melos verbannt und schloß sich der Opposition auf Hydra an. Nach der Ermordung des Regenten und dem Sieg des Ioannis Kolettis in den Wirren des Interregnums wurde T. Kabinettsmitglied. Wieder setzte er sich für ein Regierungssystem britischen Musters und eine liberale Verfassung ein, an deren Ausarbeitung auch der künftige König Otto mitwirken sollte. Doch enttäuschte die Regentschaft die Hoffnungen der Konstitutionalisten und schob den unbequemen Ministerpräsidenten und Außenminister 1834 als Gesandten nach London ab. 1838 trat er zurück, schlug den Istanbuler Gesandtenposten aus, vertrat aber 1841-1843 nochmals die griechischen Interessen in London. Nach der unblutigen Militärrevolte von 1843 wurde T. in die Nationalversammlung gewählt und gehörte dem ersten Kabinett der konstitutionellen Monarchie unter Mavrokordatos als Außen- und Kultusminister an. Obwohl er sich gegen die Aushöhlung der Verfassungsordnung durch den Monarchen und die illegalen Praktiken seiner späteren Regierungen wandte, lehnte er den außenpolitischen Druck Englands und vor allem die Interventionen des barsch auftretenden Gesandten Edmund Lyons ebenso wie Pläne einer gewaltsamen Änderung der Zustände scharf ab. 1844-1849 wählte ihn der Senat zu seinem Vizepräsidenten. Zwei Versuche Ottos, 1848 und 1856, T. für die Bildung einer Regierung zu gewinnen, scheiterten, weil T. die Voraussetzungen für den von ihm erstrebten Wandel des innenpolitischen Kurses nicht gegeben sah. Während der Pariser Friedenskonferenz 1856 setzte T. die Beendigung der Okkupation von Piräus durch und ging dann wieder als Gesandter nach England, wo er sich nachdrücklich für die Abtretung der Ionischen Inseln an Griechenland einsetzte. 1861 zog er sich ins Privatleben zurück.
T. ist auch als Dichter, Redner und Historiker hervorgetreten. Seine Grabrede auf Byron vom 22. (10.) April 1824 wurde in mehrere europäische Sprachen übersetzt. Um die neugriechische Lyrik hat er sich ein bleibendes Verdienst dadurch erworben, daß er 1822 Dionisios Solomos (1798-1857) ermutigte, möglicherweise sogar entscheidend beeinflußte, seine Gedichte nicht mehr italienisch, sondern griechisch zu schreiben. Seine vierbändige „Geschichte des griechischen Aufstands“ (Istoria tis ellinikis epanastaseos, London 1853/57, mit vielen Aufl., Neuausgaben 1968, 1971), eine der wichtigsten Quellen des Befreiungskrieges, wurde bis in unser Jahrhundert als maßgebende Darstellung des Befreiungskrieges viel gelesen und gehört zu den wenigen Zeugnissen liberaler Geschichtsschreibung in Griechenland.

Literatur

Gudas, Anastasios N.: Vii parallili ton epi tis anagenniseos tis Ellados diaprepsanton andron. Bd 7. Athen 1875.
Kugeas, Sokratis V.: Ikogenia Trikupi. Athen 1933.
Petropulos, Konstantinos P.: Mesolongitikes ethnikes doxes. I pente Mesolongites prothipurgi. Athen 1971.

Verfasser

Gunnar Hering (GND: 1078119694)


GND: 117418641

Weiterführende Informationen: https://prometheus.lmu.de/gnd/117418641

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Empfohlene Zitierweise: Gunnar Hering, Trikupis, Spiridon, in: Biographisches Lexikon zur Geschichte Südosteuropas. Bd. 4. Hgg. Mathias Bernath / Karl Nehring. München 1981, S. 348-350 [Onlineausgabe]; URL: https://www.biolex.ios-regensburg.de/BioLexViewview.php?ID=1802, abgerufen am: (Abrufdatum)

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