Biographisches Lexikon zur Geschichte Südosteuropas

Schönerer, Georg Ritter von
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Wikidata: Q112005

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Schönerer, Georg Ritter von

Schönerer, Georg Ritter von, österreichischer Politiker, * Wien 17.07.1842, † Schloß Rosenau (Niederösterreich) 14.08.1921.

Leben

 Nach dem Studium der Landwirtschaft in Stuttgart-Hohenheim und in Ungarisch-Altenburg (Mosonmagyaróvár) setzte sich Sch. bald auch öffentlich für die Interessen des Bauernstandes ein. 1873 zog er als Abgeordneter in den Reichsrat ein und schloß sich dem Fortschrittsclub der Verfassungspartei an. "Wegen tiefgehender Meinungsverschiedenheiten verließ er diesen bereits 1876 und profilierte sich seitdem als fanatischer Verfechter einer strikt deutschnationalen Politik, mit der sozialreformerische Forderungen verbunden waren. Als Proklamation der politischen Grundsätze Sch.s ist das 1882 veröffentlichte „Linzer Programm“ zu betrachten, an dessen Abfassung auch Heinrich Friedjung und Victor Adler beteiligt waren, die sich erst später von Sch. trennten. Seine Hauptpunkte waren: Ersatz des dualistischen Verhältnisses mit Ungarn durch eine bloße Personalunion; Anschluß Bosnien-Herzegowinas an Ungarn; deutsch als Staatssprache in den ehemals zum Deutschen Bund gehörenden Ländern der Monarchie; Erweiterung des "Wahlrechtes; eine staatsrechtliche Verankerung des Zweibundes mit dem Deutschen Reich sowie eine Zollunion mit diesem; sozialpolitisch die Einführung einer progressiven Einkommenssteuer, Beschränkung der Arbeitszeit und der Frauen- und Kinderarbeit, Einrichtung von Arbeiterkammern und von Alters- und Unfallversicherungen; wirtschaftlich die Verstaatlichung der Eisenbahnen und des Versicherungswesens und schließlich die Förderung des heimischen Gewerbes und des Bauernstandes. Mit diesem Programm, mit dem 1881 gegründeten „Deutschnationalen Verein“ und mit seinem ab 1881 erschienenen Presseorgan: „(Unverfälscht) Deutsche "Worte“ errang Sch. die unumstrittene Führung über die nun endgültig vom Liberalismus abgefallene, vornehmlich das gebildete Bürgertum erfassende deutschnationale Bewegung. Ihre ideologische Prägung gestaltete Sch. in den 1880er Jahren weiter aus durch seine in Form eines Kultes geradezu auf die Spitze getriebene Verehrung Bismarcks, seiner Reichsgründung und der Hohenzollern-Dynastie, womit Sch. seine Ablehnung der Habsburger sowie des österreichischen Gesamtstaatsgedankens recht wirkungsvoll unterstrich. Dazu gesellte sich sein ab 1885 immer stärker rassistisch motivierter Antisemitismus und parallel dazu seine erbitterte Bekämpfung des Klerikalismus, die er um die Jahrhundertwende in der „Los-von-Rom-Bewegung“ kulminieren ließ. Außen- und wehrpolitisch verfolgte Sch. einen Kurs, der sich zwar immer auf sein Idol Bismarck berief, doch wesentliche Punkte der ganz auf Erhaltung der österreichischen Großmachtstellung bedachten Politik des deutschen Reichskanzlers mißachtete. Vor allem aus wirtschaftlichen Gründen widersetzte sich Sch. stets den Wehrvorlagen der Regierung sowie allen ihren Rüstungsvorhaben. Im Bestreben, das Bismarckreich auf das wirkungsvollste zu stärken, schwebte Sch. schließlich die Aufteilung der Donaumonarchie zwischen Deutschland und Rußland vor; die Anschlußbewegung der deutschsprachigen Gebiete Zisleithaniens an das Deutsche Reich wurde damit von ihm lange vor 1938 begründet. Höhe- und Wendepunkt seiner politischen Laufbahn bildeten Prozeß und Verurteilung Sch.s nach seinem tätlichen Vorgehen gegen die Redaktion des „Neuen Wiener Tagblattes“ im Jahre 1888. Mit dem Entzug seiner politischen Rechte auf fünf Jahre verlor seine bis dahin sehr erfolgreiche Bewegung ihren Führer und viele ihrer Anhänger an die in den Jahren nach seiner Verurteilung aufgebauten Massenparteien der Christlichsozialen und der Sozialdemokraten. Erst 1897 kehrte Sch. in das Parlament zurück und erlebte mit der von seinen Anhängern getragenen Hetze gegen die Regierung Badeni und ihren Sprachenverordnungen neue politische Erfolge. Diese jedoch vermochte er trotz des Gewinns von 21 Abgeordnetenmandaten 1901 nicht zu nutzen. Seine unduldsame Haltung auch gegenüber Parteifreunden führte zu heftigen inneren Kämpfen in der seit 1901 so benannten „Alldeutschen Vereinigung“ und 1902 zur Abspaltung eines gemäßigten Flügels unter Karl Hermann Wolf, der 1907 die Partei der „Deutschradikalen“ bildete. Nach Verlust seines Mandates in den Reichstagswahlen von 1907 zog sich Sch. enttäuscht und ganz verbittert auf sein Schloß Rosenau zurück. Die von ihm begründete Ideologie hat die deutschnationalistischen Strömungen in Mitteleuropa über seinen Tod hinaus nachhaltig beeinflußt und Sch. historisch einen festen Platz unter den politischen Doktrinären von großer Faszinationskraft zugewiesen.

Literatur

Herwig-Pichl, Eduard: Georg Schönerer und die Entwicklung des Alldeutschtums in der Ostmark. 4 Bde. Wien 1912/20. (2. verm. Aufl. in 6 Bden Oldenburg 1938).
Molisch, Paul: Geschichte der deutschnationalen Bewegung in Österreich. Jena 1926.
Mayer-Löwenschwerdt, Erwin: Schönerer, der Vorkämpfer. Wien, Leipzig 1938.
Schnee, Heinrich: Bismarck und der deutsche Nationalismus in Österreich. In: Hist. Jb. 81 (1962) 123-151.
Valentin, Hellwig: Der Prozeß Schönerer und seine Auswirkungen auf die parteipolitischen Verhältnisse in Österreich. In: Österr. Gesch. u. Lit. 16 (1972) 81-97.
Whiteside, Andrew G.: The socialism of fools. Georg Ritter von Schönerer and Austrian Pan-Germanism. Berkely 1975.

Verfasser

Gerhard Seewann (GND: 1069961280)

GND: 118610163

Weiterführende Information (Deutsche Biographie): https://www.deutsche-biographie.de/pnd118610163.html


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Empfohlene Zitierweise: Gerhard Seewann, Schönerer, Georg Ritter von, in: Biographisches Lexikon zur Geschichte Südosteuropas. Bd. 4. Hgg. Mathias Bernath / Karl Nehring. München 1981, S. 98-100 [Onlineausgabe]; URL: https://www.biolex.ios-regensburg.de/BioLexViewview.php?ID=1636, abgerufen am: (Abrufdatum)

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