Biographisches Lexikon zur Geschichte Südosteuropas

Táncsics, Mihály
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Táncsics, Mihály

Táncsics (bis 1848 Stancsics), Mihály (Michael), ungarischer Publizist und Politiker, *Ácsteszér (Komitat Weszprim) 21.04.1799, † Budapest 28.06.1884.

Leben

T. entstammte einer untertänigen Familie und arbeitete in früher Jugend als Bauernknecht, später als Lehrjunge bzw. Geselle in einer Weberei. Zuletzt hatte er eine Stelle als Hilfslehrer inne. 1823 beendete er seine Ausbildung am Lehrerseminar in Ofen, um sein Studium am Gymnasium (bis 1828) und an der Universität (bis 1831) fortzusetzen. Das Universitätsstudium konnte er jedoch nicht abschließen.
Mit seiner literarischen Tätigkeit begann T. im Jahre 1831. In der ersten Zeit publizierte er größtenteils Sprachbücher und populärwissenschaftliche Arbeiten. Im Laufe der 1840 er Jahre traten dann zunehmend politische Themen in den Vordergrund seines Schaffens. Hierbei forderte er die Lösung der brennenden Zeitprobleme anfangs von einem den Meinungen der Vertreter der liberalen adeligen Bewegung ähnlichen Standpunkt. In der zweiten Auflage seines „Népkönyv“ (Volksbuch, 1846) forderte T. dagegen die Befreiung der Untertanen schon ohne die Pflicht der Ablösezahlungen. Eine längere Auslandsreise im Jahr 1846 führte zu einer weiteren Radikalisierung seiner Anschauungen. Nach Ungarn zurückgekehrt, schrieb er im Winter 1846/47 sein Hauptwerk „Nép szava isten szava“ (Volksstimme ist Gottesstimme), in dem er sich für die sofortige Aufhebung des Untertänigkeitssystems einsetzte. Dieses Werk konnte jedoch erst 1848, nach Ausbruch der Revolution erscheinen, da T. unter der Anklage subversiver Tätigkeiten im März 1847 ins Gefängnis kam, aus dem er erst durch die siegreiche Revolution vom 15. März 1848 befreit wurde.
Nach seiner Befreiung begann T. am 2. April 1848 mit der Herausgabe einer Zeitung, die den Titel „Munkások Újsága“ (Zeitung der Werktätigen) trug. Auch mit dieser beteiligte er sich aktiv an der Unterstützung der Lohnbewegung, die sich ab Ende April bei den Pester Druckern auszubreiten begann. Im Mittelpunkt seines Interesses stand für T. aber weiterhin die Bauernfrage, die auch durch die im März 1848 verwirklichte Bauernbefreiung nur zu einem Teil gelöst worden war. Als T. im Juli 1848 am ersten ungarischen repräsentativen Landtag als Mitglied teilnahm, unterbreitete er einen Gesetzesvorschlag, der eine nachträgliche Aufhebung aller noch rechtskräftigen feudalen Schuldigkeiten vorsah. Gleichzeitig forderte er in seiner Zeitung, die Ländereien der Vaterlandsverräter unter der Bevölkerung ohne Grundbesitz und jenen Häuslern aufzuteilen, die nicht über genügend Land verfügten. Im Mai-Juni 1849 ging er in seinen Forderungen noch weiter: in seiner Flugschrift „Forradalom“ (Revolution) forderte er als erster ungarischer Wortführer der Agrardemokratie nicht nur die Übergabe des Grundbesitzes von Vaterlandsverrätern an die Bauern, sondern auch die Aufteilung staatlicher und kirchlicher Besitztümer sowie all jener Grundflächen, die über 2000 Joch hinausgingen, auch wenn deren Eigentümer nicht des Verrats angeklagt worden waren - natürlich ohne seinen Forderungen zum Erfolg verhelfen zu können.
Nach dem Zusammenbruch der Revolution war T. gezwungen, sich in die Verborgenheit zurückzuziehen, wobei ihm seine Frau Teréz Seidel, die er 1838 geheiratet hatte, in aufopfernder Weise half, acht Jahre lang das Leben in der Illegalität durchzustehen. 1851 wurde er in contumaciam zum Tode verurteilt. Durch die Amnestie von 1857 war ihm erneut der Weg ins öffentliche Leben freigegeben. Sein aktives Mitwirken in einer Gruppe Pester Studenten, die am 15. März 1860 eine Demonstration gegen die Habsburger durchführten, brachte ihn wiederholt ins Gefängnis; er wurde zu 15 Jahren Haft verurteilt. Obwohl er sein Augenlicht nahezu völlig verloren hatte, entließ man ihn erst am 12. März 1867 aus dem Gefängnis.
Bei der ersten Landtagswahl nach seiner Befreiung, im März 1869, errang T. mit seinem oppositionellen Programm erneut ein Mandat und wurde am 11. Juli 1869 Vorsitzender des im Jahr davor gegründeten „Allgemeinen Arbeitervereins“ (Általános Munkásegylet). T. konnte sich allerdings mit den Bestrebungen der modernen Arbeiterbewegung nicht mehr identifizieren und war daher gezwungen, knapp ein Jahr darauf auf den Vorsitz über den Arbeiterverein zu verzichten. Nach Ablauf seines Mandats als Abgeordneter blieb er ab 1872 endgültig vom öffentlichen Leben ausgeschlossen und lebte von da an bis zu seinem Tode in zunehmender Isolierung und immer größer werdendem Elend.

Literatur

Lestyán, Sándor: Az igazi Táncsics. Budapest 1945.
Táncsics Mihály irodalmi munkássága. In: Századok 82 (1948) 326-335.
Révész, Mihály: Táncsics Mihály és kora. 2 Bde. Budapest 1948(2).
D. Szemző, Piroska: Táncsics Mihály 48-as lapja, a Munkások Ujsága. In: Irod.-Tört. (1952) 481-502.
Vincze, László: Táncsics Mihály pedagógiai nézetei. Budapest 1953.
Táncsics Mihály válogatott írásai. Hrsg. László Geréb. Budapest 1957.
Bölöni, György: Hallja kend Táncsics. Budapest 1958(2).

Verfasser

György Spira (GND: 1075684846)

GND: 123002567

Weiterführende Information (Deutsche Biographie): https://www.deutsche-biographie.de/pnd123002567.html


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Empfohlene Zitierweise: György Spira, Táncsics, Mihály, in: Biographisches Lexikon zur Geschichte Südosteuropas. Bd. 4. Hgg. Mathias Bernath / Karl Nehring. München 1981, S. 269-271 [Onlineausgabe]; URL: https://www.biolex.ios-regensburg.de/BioLexViewview.php?ID=1745, abgerufen am: (Abrufdatum)

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