Biographisches Lexikon zur Geschichte Südosteuropas

Taaffe, Eduard Graf
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Taaffe, Eduard Graf

Taaffe, Eduard Graf, österreichischer Staatsmann, * Wien 24.02.1833, † Ellischau (Böhmen) 29.11.1895, entstammte einem alten irischen Geschlecht, Sohn des Grafen Ludwig T.

Leben

Nach dem Rechtsstudium in Wien trat T. 1852 in den Zivilstaatsdienst ein. Die unteren Rangstufen bei der Statthalterei in Niederösterreich, bei den Bezirkshauptmannschaften in Wiener Neustadt und Krems, den Statthaltereien in Ungarn, dann in Böhmen rasch durchlaufend, wurde er 1861 Statthaltereirat und Leiter der Kreisbehörde in Prag. Von April 1863 bis Januar 1867 war er Landespräsident von Salzburg, sodann kurze Zeit Statthalter von Oberösterreich (Januar bis März 1867) und wurde dann im Kabinett Beust zum Minister und Leiter des Ministeriums des Innern ernannt. Nach der Erhebung Beusts zum Reichskanzler wurde T. stellvertretender Ministerpräsident. Im Ministerium Carlos Auersperg war er ab 30. Dezember 1867 Minister für Landesverteidigung und öffentliche Sicherheit, wurde dann 1868 interimistischer Leiter des Ministerpräsidiums und im April 1869 definitiver Ministerpräsident. Doch bereits am 15. Januar 1870 erfolgte seine Enthebung. Im Kabinett Alfred Potocki bekleidete T. dann vom April 1870 bis Februar 1871 das Amt des Ministers des Innern. 1870 wurde er lebenslängliches Mitglied des Herrenhauses. Vom Mai 1871 an war er Statthalter von Tirol, welche Stellung er bis zu seiner Ernennung zum Minister des Innern im Kabinett Karl von Stremayr innehatte (Februar 1879). Am 12. August 1879 wurde T. schließlich auch Ministerpräsident; in diesen Ämtern blieb er dann bis 11. November 1893.
Das Kabinett T. stützte sich auf den feudal-konservativen Hohenwartklub sowie auf die Tschechen und Polen - eine Koalition, die sich als sehr dauerhaft erwies und mit dem Namen „Eiserner Ring“ bezeichnet wurde. Unter T.s Ministerpräsidentschaft hatte in der Innenpolitik Cisleithaniens eine konservative, slawenfreundliche Richtung die Oberhand gewonnen. Bei der Bewältigung der komplizierten nationalen und sozialen Zeitfragen erwies sich der konservative Katholik, feudale „Böhme“ und kaiserliche Vertrauensmann („Kaiserminister“) T. als geschickter Taktiker. So erleichterte T. mit den Sprachenverordnungen von 1880 den Tschechen das Vordringen in der Beamtenschaft; durch die Teilung der Prager Universität (1882) kamen sie zu einer nationalen Universität. Doch war die nationale Versöhnungspolitik T.s wegen der immer größere Ausmaße annehmenden deutsch-tschechischen Rivalität in Böhmen schließlich zum Scheitern verurteilt. Daß der 1890 zustande gekommene böhmische Ausgleich nicht realisiert wurde, lag am Widerstand der demokratischen, aber auch nationalistischen Partei der Jungtschechen. T. versuchte dann eine Annäherung an die einst so scharf bekämpften Deutschliberalen.
Einigen Erfolg hatte T. mit seiner konservativ-reformerischen Sozialpolitik, bei der in mancher Hinsicht das Vorbild Bismarcks zu erkennen ist. Es wurde die bäuerliche Erbfolge geregelt, und es kam zu einer teilweisen, aber immerhin schon wirksamen Arbeiterschutzgesetzgebung (Arbeitszeitbegrenzung, Gewerbeinspektorat, Anfänge des Versicherungswesens). Die meisten Hoffnungen der Arbeiterschaft gingen freilich nicht in Erfüllung. Den Mitte der achtziger Jahre auftretenden Arbeiterunruhen und Gewaltakten radikaler oder anarchistischer Elemente wurde mit Polizeigewalt und Verbotsgesetzgebung begegnet. Die sozialdemokratische Partei erlangte nach dem Parteitag von Hainfeld (1888) wieder politisches Gewicht. Um ihren Massenanhang in der Volksvertretung zur Geltung zu bringen, bedurfte es einer Erweiterung des Wahlrechts auf die wenig begüterten Bevölkerungsschichten. Dies schien 1893 bevorzustehen.
Schon 1882 hatte T. zur Demokratisierung des Wahlrechts beigetragen, indem er die Zensusgrenze von zehn auf fünf Gulden herabsetzte. Im Juli 1893 veranstalteten die Sozialdemokraten Wahlrechtskundgebungen. T. proponierte im Reichsrat eine Vorlage, gegen die sich wesentliche Gruppen der bisherigen Regierungskoalition - die Feudalen unter Graf Karl Sigmund von Hohenwart und die Polen - mit der liberalen Opposition vereinigten. Die Wahlvorlage fiel und mit ihr die Regierung.
Der an der Frage der Wahlreform gescheiterte T. war - vergleichbar mit dem im wesentlichen zur selben Zeit amtierenden ungarischen Ministerpräsidenten Kálmán Tisza - länger als alle seine Vorgänger und Nachfolger im Amt des Ministerpräsidenten. Er besaß die Kunst des Lavierens und seine Bereitschaft zu Kompromissen war sehr ausgeprägt. Von ihm stammt das Wort vom „Fortfretten und Fortwursteln“ als Kennzeichnung für eine Politik, die alle Hände voll zu tun hatte, gewissermaßen von einem Tag zum anderen zu bestehen. Trotzdem können T. staatsmännische Fähigkeiten - im Gegensatz zu früheren deutschnationalen oder deutschliberalen Meinungen - heute nicht mehr abgesprochen werden.

Literatur

Skedl, Arthur (Hrsg.): Der politische Nachlaß des Grafen Eduard Taaffe. Wien, Berlin, Leipzig, München 1922.
Jenks, William A.: Austria Under the Iron Ring 1879-1893. Charlottesville 1965 (mit Bibliographie).
Kaiserhaus, Staatsmänner und Politiker. Aufzeichnungen des k. k. Statthalters Erich Graf Kielmansegg. Mit einer Einleitung von Walter Goldinger. Wien 1966, 213-246.

Verfasser

Friedrich Gottas (GND: 105731153)

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Weiterführende Information (Deutsche Biographie): https://www.deutsche-biographie.de/pnd118620428.html


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Empfohlene Zitierweise: Friedrich Gottas, Taaffe, Eduard Graf, in: Biographisches Lexikon zur Geschichte Südosteuropas. Bd. 4. Hgg. Mathias Bernath / Karl Nehring. München 1981, S. 264-265 [Onlineausgabe]; URL: https://www.biolex.ios-regensburg.de/BioLexViewview.php?ID=1741, abgerufen am: (Abrufdatum)

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