Biographisches Lexikon zur Geschichte Südosteuropas

In den Suchergebnissen blättern

Treffer 
 von 1526

Sudzilovskij-Russel, Nikolaj Konstantinovič

Sudzilovskij-Russel, Nikolaj Konstantinovič, russischer Arzt und Anarchist, * Mogil’ov (Weißrußland) 15.12.1850, † Tientsin (China) 1930, Sohn eines Gutsbesitzers polnischer Herkunft.

Leben

S. studierte von 1869 bis 1873 Medizin in Kiev. Als Teilnehmer des „Čajkovskij-Kreises“, der Aufklärung unter den Bauern betrieb, entzog er sich der Verhaftung durch die Flucht nach Westeuropa. Er lernte Pëtr Lavrov, Karl Marx und Friedrich Engels kennen, blieb aber vor allem unter Michail Bakunins Einfluß. Der Aufstand in der Herzegowina (1875) lenkte das Interesse der emigrierten Narodovolcengruppen auf die Befreiungsbewegungen des Balkans. Wie Pavel Aksel’rod, Nicolae Zubcu-Codreanu, Zamfir Arbore-Ralli und andere verließ S. die Schweiz, um Freiwillige für den Krieg gegen das Osmanische Reich zu werben. Das liberale Asylrecht in Rumänien bewog S., sein Medizinstudium in Bukarest abzuschließen. Er hatte enge Beziehungen zu der dortigen Gruppe bessarabischer, polnischer und bulgarischer Flüchtlinge. Ihr gehörte auch Christo Botev an. Während des russisch-türkischen Krieges 1877-1878 war S. Arzt in der rumänischen Armee. 1879 bildete sich unter seiner Führung in Jassy ein Zirkel, der neben bessarabischen Revolutionären auch Intellektuelle aus dem Altreich erfaßte (Ioan, Gheorghe und Sofia Nădejde, Constantin Mille). Er lehnte terroristische Kampfesformen ab und wandte sich vorwiegend an Studenten und Schüler. Die Zeitschrift „Bessarabia“ wollte über die soziale Not der Bauern im Altreich und die nationale Unterdrückung der Rumänen in Bessarabien und Siebenbürgen aufklären. Das von S. formulierte Programm der Gruppe „Un studiu psihiatric, urmat de cîteva comentarii asupra ideilor sănătoase“ (Eine psychiatrische Studie, gefolgt von Kommentaren über gesunde Ideen, 1880) wies der Intelligenz dienende Funktion bei der „Selbstorganisation des Volkes“ (Bauern und Arbeiter) zu. 1881 wurde S. zusammen mit anderen russischen Emigranten auf Druck der zaristischen Regierung ausgewiesen. Von da ab übte er abwechselnd seinen Beruf als Arzt und Revolutionär in Bulgarien, den USA, Hawaii, Japan und China aus.
S. ist die zentrale Gestalt für die Anfänge des Sozialismus in Rumänien. Die Ideen des russischen Populismus wurden der rumänischen Intelligenz ab 1874 durch die geflohenen Narodniki aus Bessarabien vermittelt (Zubcu-Codreanu, Arbore-Ralli). Diese leisteten auch Gesinnungsgenossen wie Georgij Plechanov und Axelrod Fluchthilfe. Die eigenständige Rezeption des Marxismus in Rumänien nach 1881 (Dobrogeanu-Gherea, Nădejde) wurde durch das Fortbestehen der Verbindungen zu der ersten Organisation der russischen Sozialdemokratie, der Gruppe „Befreiung der Arbeit“ in Genf, erleichtert.

Literatur

Bezviconi, Gheorghe: Zamfir Ralli-Arbure. In: Analele Moldovei [3] (1943) 109-128.
Roller, Mihail (Hrsg.): Starea economică şi social-politică în ajunul anului 1877. Mişcarea revoluţionară (1871-1881). In: Documente privind istoria Romîniei. Războiul pentru independenţă. Bd I/1. Bucureşti 1954.
Haupt, Gheorghe: Din istoricul legăturilor revoluţionare romîno-ruse 1849-1881. Bucureşti 1955.
Gelehrter, Iuliu: Din viaţa şi activitatea doctorului Nicolae Russel (1850-1930). In: Bologa, Valeriu L. (Hrsg.): Din istoria medicinei romîneşti şi universale. Bucureşti 1962, 351-377.
Israel, S[alvator] u. Jack Eškenazy: Le révolutionnaire russe Nikolaj Constantinovič Sudzilovski-Russel en Roumaine et en Bulgarie. In: Études balkaniques 4 (1967/68) 7, 163-190.
Neagoe, Stelian V. : Nicolae Codreanu. Bucureşti 1970.
Venturi, Franco: Il populismo russo. 3 Bde. Torino 1952, 1972(2) (mit Bibliographie).
Grosul, Vladislav Jakimovič: Rossijske revoljucionery v Jugo-Vostočnoj Evrope (1859-1874 gg.). Kišinev 1973 (mit Bibliographie).

Verfasser

Jochen Schmidt

GND: 119321718

Weiterführende Information (Deutsche Biographie): https://www.deutsche-biographie.de/pnd119321718.html


RDF: RDF

Vorlage (GIF-Bild):  Bild1   Bild2   

Empfohlene Zitierweise: Jochen Schmidt, Sudzilovskij-Russel, Nikolaj Konstantinovič, in: Biographisches Lexikon zur Geschichte Südosteuropas. Bd. 4. Hgg. Mathias Bernath / Karl Nehring. München 1981, S. 223-224 [Onlineausgabe]; URL: https://www.biolex.ios-regensburg.de/BioLexViewview.php?ID=1714, abgerufen am: (Abrufdatum)

Druckerfreundliche Anzeige: Druckerfreundlich

Treffer 
 von 1526
Ok, verstanden

Website nutzt Cookies, um bestmögliche Funktionalität bieten zu können. Mehr Infos