Biographisches Lexikon zur Geschichte Südosteuropas

Kolettis, loannis
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Kolettis, loannis

Kolettis, loannis, griechischer Politiker, * Sirrakon bei Janina 1774, † Athen 12.09.1847.

Leben

Nach dem Besuch der Elementarschule betätigte sich K. als Kaufmann in Janina und studierte später in Pisa Medizin. Das seine politischen Auffassungen prägende Erlebnis während des siebenjährigen Aufenthaltes in Italien war der Feldzug Napoleons: K. hoffte, die Griechen könnten mit Hilfe der Franzosen, die von den Ionischen Inseln Besitz ergriffen hatten, die osmanische Herrschaft abschütteln. Nach seiner Rückkehr diente er als Arzt am Hofe des Statthalters von Janina, Ali Pascha, und dessen Sohnes Muhtar. 1819 trat er in den revolutionären Geheimbund Filiki Eteria ein. Nach Ausbruch des griechischen Unabhängigkeitskrieges (1821) versuchte er vergeblich, dem Aufstand in Epirus zum Erfolg zu verhelfen, und gehörte der 1. Nationalversammlung von Epidauros (Dezember 1821 bis Januar 1822) an. Am 27. Januar 1822 wurde er Innenminister, dann vorübergehend auch Heeresminister, am 7. Dezember Mitglied des Exekutivausschusses. Gleichzeitig beteiligte er sich an den Kämpfen gegen die osmanischen Truppen. Im ersten Bürgerkrieg (November 1823 bis Juni 1824) um den Primat der politischen Führung gegenüber den Freischaren stand K. auf seiten der Legislative, die sich nach Kranidion zurückzog und eine neue Exekutive berief. Hier gelang K. die Organisation eines überwiegend aus Rumelioten bestehenden Heeres. Im zweiten Bürgerkrieg (November/Dezember 1824), in dem die umstrittenen Grundfragen der Verfassung, Ämterordnung und Heeresorganisation in der Sprache des Regionalismus formuliert wurden, führte K. seine Truppen zum Sieg über die Pelo- ponnesier. Bei den Sondierungen über die Möglichkeiten der Berufung eines ausländischen Fürsten plädierte K. für Prinz Louis-Charles, Herzog von Nemours, den zweiten Sohn des französischen Königs Louis-Philippe. Mit dieser Option verband er die Überzeugung, Frankreich werde, da seine Interessen anders als die britischen und russischen den griechischen Aspirationen im östlichen Mittelmeerraum nicht zuwiderliefen, Griechenland bei der Sicherung seiner Unabhängigkeit und bei der Befreiung der unter osmanischer Herrschaft verbliebenen Griechen helfen, ohne es seiner Hegemonie zu unterstellen. Außer dieser Konzeption einte die von K. gebildete und geführte Französische Partei auch das vor allem den Erwartungen der Freischärler des Festlands entsprechende, an der jüngsten französischen Geschichte orientierte innenpolitische Programm einer auf die Revolution folgenden bonapartistischen Führung der zu ihrem Recht gekommenen und ihre Größe beanspruchenden Nation. Unter dem Regenten Ioannis Kapodistrias diente K. als außerordentlicher Gesundheitsbeauftragter für Spetse (1828), dann als Regierungskommissar auf Samos, schließlich als Staatssekretär für das Heereswesen. Nach der Ermordung des Regenten (9.10./27.09.1831) berief der Senat sofort dessen Bruder Avgostinos Kapodistrias, Theodoros Kolokotronis und K. in ein kurzlebiges Triumvirat. Doch die konstitutio- nalistische Opposition gegen den Bruder des Regenten, den die 5. Nationalversammlung von Argos am 17. Dezember 1831 zum neuen Regenten wählte, und die rumelio- tischen Freischaren des K. versammelten sich in Megara und Perachora. Nach dem von den Schutzmächten erzwungenen Rücktritt des Avgostinos Kapodistrias gehörte K. sowohl dem fünfköpfigen wie dem siebenköpfigen Regierungsausschuß an, der die von den Brüdern Kapodistrias einberufene 4. und 5. Nationalversammlung nicht anerkannte, eine neue 4. Nationalversammlung in Argos zusammentreten und am 8. August (27. VII.) 1832 Otto von Wittelsbach zum König wählen ließ. Als die bayerische Regentschaft 1833/34 gegen die namentlich von der Englischen und Russischen Partei getragene Opposition scharf durchgriff, bot sich K. eine neue Chance: Am 28. April 1833 übernahm er das Innenministerium, plädierte vergeblich für die sofortige Vollstreckung des Todesurteils an Theodoros Kolokotronis und schlug 1834 die Messenische Revolte nieder. 1835 schob ihn Joseph Ludwig Graf Armansperg als Gesandten nach Paris ab, wo er eine auf das griechisch-französische Verhältnis dauerhaft und nachhaltig einwirkende Freundschaft mit Guillaume Guizot schloß. Erst nach der unblutigen Militärrevolte von 1843, die König Otto zur Einberufung einer Konstituante zwang, kehrte K. nach Griechenland zurück, um der von ihm für verfrüht angesehenen Verfassung einen möglichst konservativen Inhalt zu geben. Am 18. August 1844 ernannte ihn Otto zum Ministerpräsidenten. Bei dem Versuch, Krone und Exekutive zu stärken, bediente sich K. jeglicher illegaler Mittel, des Terrors und der Wahlfälschung in großem Umfang. Zwar vermochte er die unzufriedenen, beschäftigungslosen und großenteils hungernden Freischärler zu beruhigen, doch diskreditierte er die eben erst etablierte konstitutionelle Monarchie gründlich und förderte den Gegensatz zu England.

Literatur

Karolidis, Pavlos: Sinchronos istoria ton Ellinon ke ton lipon laon tis Anatolis. Bd 3. Athen 1923, 296-376.
Benekos, Giannis: Kolettis, o pateras ton politikon mas ithon. Athen 1961.
Malenos, Epaminondas: Ioannis Kolettis. o. O. [Athen] 1969.
Prevelakis, Eleftherios: To archion tu Ioannu Koletti. In: Eranistis 8 (1970) 81-90.

Verfasser

Gunnar Hering (GND: 1078119694)

GND: 119379406

Weiterführende Information (Deutsche Biographie): https://www.deutsche-biographie.de/pnd119379406.html


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Empfohlene Zitierweise: Gunnar Hering, Kolettis, loannis, in: Biographisches Lexikon zur Geschichte Südosteuropas. Bd. 2. Hgg. Mathias Bernath / Felix von Schroeder. München 1976, S. 431-432 [Onlineausgabe]; URL: https://www.biolex.ios-regensburg.de/BioLexViewview.php?ID=1148, abgerufen am: (Abrufdatum)

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