Biographisches Lexikon zur Geschichte Südosteuropas

Kolokotronis, Theodoros
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Kolokotronis, Theodoros

Kolokotronis, Theodoros, Heerführer im griechischen Unabhängigkeitskrieg, Politiker, * Ramavuni (Messenien) 14.04.1770, † Athen 15.02.1843; aus seiner Ehe mit Ekaterina Karusu, der Tochter eines von den Türken hingerichteten Honoratioren, ging u. a. der Heerführer und Politiker Ioannis („Jennäos“) K. (um 1805-1868) hervor.

Leben

K. entstammte väterlicherseits einer seit Generationen gegen die türkische Herrschaft kämpfenden Klephtenfamilie; sein Vater Konstantis, oberster Feldwächter von Korinth, hatte sich ebenfalls in solchen Gefechten, zuletzt während der Ägäis-Expedition Aleksej Orlovs (1769-1774), hervorgetan; 1780 wurde er von den Türken getötet. In Alonistena, der Heimat seiner Mutter, wurde K. als Siebzehnjähriger zum Feldwächter gewählt. In den am Ende des Jh.s sich zuspitzenden Konflikten zwischen Obrigkeit und muslimischen sowie christlichen Grundbesitzern einerseits, den bäuerlichen Unterschichten andererseits machte sich K. auf seiten der Klephten bald einen Namen als tapferer Bandit. Die große Säuberungsaktion nach der Jahrhundertwende zwang ihn zur Emigration nach Zakinthos (1806-1821), wo er abwechselnd in russische, französische und im Range eines Hauptmanns auch in britische Dienste trat und den Türken dabei immer wieder, wie 1807 im Umkreis der russischen Mittelmeerflotte unter Dmitrij Nikolaevič Senjavin als Korsar, Schaden zufügte. In den revolutionären Geheimbund der Filiki aufgenommen, beteiligte er sich an der Vorbereitung des griechischen Unabhängigkeitskriegs. Am 18. Januar 1821 kehrte er auf die Peloponnes zurück und schloß sich den Führern des Maniatenaufgebots an, das am 3. April gegen die Türken losschlug und am 4. Juni Kalamata (Kalame) einnahm. In den folgenden Jahren trat K. als der bedeutendste Organisator und Führer der peloponnesischen Freischaren hervor. Dank seiner überlegenen militärischen Begabung, seiner Verbundenheit mit Milieu und Mentalität der Aufständischen und nicht zuletzt mit drakonischer Härte gelang es ihm, den im Kriegshandwerk ungeübten Bauernhaufen eine gewisse Disziplin und Ausbildung beizubringen und die Grundlagen der Heeresorganisation zu schaffen. Seine Strategie zielte auf die rasche Eroberung der zentralen Regionen. Nach einem kleinen, aber psychologisch wichtigen Erfolg bei Levidi (28.04.1821) gelang ihm am 24./25. Mai 1821 der erste größere Sieg bei Valtetsi. Am 5. Oktober nahmen seine Truppen die Gouvernementshauptstadt Tripolitsa. Die Entscheidung in der ersten Phase des Krieges fiel, als seine Truppen zwischen Korinth und Argos in der Der-venakia-Schlucht sowie bei Agios Sostis und Aginori die zahlenmäßig weit überlegene Armee des Mahmud Pascha Dramali aus dem Hinterhalt fast völlig vernichteten (6.-8.08.1822); Nauplion, die erste Hauptstadt des späteren Staates, mußte kapitulieren. Damit war der Aufstand über die kritische Grenze einer lokalen Rebellion hinaus erfolgreich und beschäftigte immer stärker die europäischen Mächte, ohne deren Intervention die Griechen letztlich ihre Unabhängigkeit nicht hätten durchsetzen können. K.’ Aktionen gegen die Türken wurden überlagert von den inneren Auseinandersetzungen unter den Aufständischen über Verfassung, Ämterordnung, Heeresorganisation, über das Verhältnis zwischen zivilen und militärischen Instanzen, die außenpolitische Orientierung und die Lösung der drängenden sozialen Probleme. Zunächst versuchte K., zwischen zivilen Honoratioren und Freischärlern zu vermitteln, um alle Kräfte gegen den Feind zu einen und im Ausland nicht den Verdacht einer Verwandtschaft des Aufstands mit westlichen revolutionären Bewegungen (Carbonari) aufkom- men zu lassen. Den Krompromißkurs gab er jedoch auf, als die zivilen Honoratioren ihm die Fortsetzung der Belagerung von Patras unmöglich machten und ihn während der 2. Nationalversammlung von Astros (1822/23) entmachten wollten. Im ersten Bürgerkrieg (November 1823 - Juni 1824) um den Primat der politischen Führung stand K. auf seiten der Militärbefehlshaber, die ihren Machtanspruch mit ihren Opfern und ihrer Verantwortung vor der ganzen Nation ideologisch begründeten und sich keiner „Clique“ von Politikern unterstellen wollten. K. beherrschte bereits weite Bereiche der Peloponnes sowohl militärisch wie mit dem Instrument der Steuerpacht und hatte reiche Kriegsbeute in seine Gewalt gebracht. Im zweiten Bürgerkrieg (No- vember/Dezember 1824), in dem die alten Probleme in der Sprache des Regionalismus formuliert wurden, führte K. die Peloponnesier gegen die Festlands- und Inselgriechen. Seiner Gefangenschaft auf Hydra setzte die Regierung durch eine Amnestie am 30. Mai 1825 ein Ende, da inzwischen Truppen unter Ibrahim Pascha, dem Sohn des ägyptischen Vizekönigs Mehmed Ali Pascha, gelandet waren und den Aufständischen vernichtende Schläge beibrachten. Mit der Taktik des Bandenkampfes (Überraschungsangriffe aus dem Hinterhalt, ständige Störmanöver, aber auch äußerste Härte gegen kapitulierende griechische Dörfer) lieferte er ihnen einen zähen Kleinkrieg, bis nach der Schlacht bei Navarino (20.10. 1827) die Ägypter von der Peloponnes abzogen. K. war der bedeutendste Machtfaktor in der von Andreas Metaxas geführten Russischen Partei, die gegenüber „westlichen“, insbesondere konstitutionalistischen Ideen die Konzeption eines straff geführten monarchischen Staates zur Geltung brachte, der die Traditionen und die Kirche der Väter zu schützen sowie den Interessen der ehemaligen Freischärler und der Kleinbauern zu dienen hätte. Die Vereinigung der von K. geführten und in Kastri (Ermioni) versammelten Abgeordneten mit der von der Englischen Partei geführten Abgeordnetengruppe auf Ägina zur 3. Nationalversammlung von Trizin (Trotzen) 1827 wurde durch den Kompromiß möglich, als Befehlshaber von Armee und Marine die Briten Richard Church und Thomas Cochrane, als Regenten aber den ehemaligen russischen Außenminister griechischer Abstammung, Graf Kapodistrias, zu berufen, dessen Regierungsprogramm weitgehend den Vorstellungen der Russischen Partei entsprach. Dagegen gerieten K. und seine Anhänger rasch in scharfen Gegensatz zur bayerischen Regentschaft. 1833 beschwerte sich K. ohne Erfolg bei Nesselrode über die Kirchenpolitik der Regenten und unterstützte immer militanter vorgetragene Forderungen nach einer Kursänderung und der vorzeitigen Einsetzung König Ottos in die Rechte eines großjährigen Monarchen. In der Nacht zum 19. September 1833 auf Befehl der Regentschaft ohne Kenntnis des griechischen Innenministers verhaftet, wurde er in einem auch für damalige Maßstäbe skandalösen, von Rechtsbeugungen und gravierenden Verfahrensmängeln belasteten Prozeß der Verschwörung zum Hoch- und Landesverrat, der Bandenbildung und der Anstiftung zum Bürgerkrieg angeklagt und ohne zureichende Beweise zum Tode verurteilt, dann auf Drängen der Gesandten und des Königs zu 25 Jahren Kerker begnadigt und vom großjährig gewordenen Monarchen schließlich freigelassen. 1835-1843 war er Mitglied des Staatsrats, zog sich aber aus dem politischen Leben ganz zurück.

Literatur

Vakalopulos, Apostolos E.: Ta ellinika stratevmata tu 1821. Organosi, igesia, taktiki, ithiki psichologia. Thessaloniki 1948.
Kolokotronis, Theodoros: Apomnimonevmata. Hrsg. T. Vurnas. Athen 1964. Hrsg. Th. Vagenas. Athen 1970(2).
Kolokotronis. Klepht and Warrior. (General Kolokotronis: The Greek War of Independence, 1821-1833). Hrsg. u. übers. Elizabeth M. Edmonds. London 1891, Reprint Chicago 1968.
Petropulos, John Anthony: Politics and Statecraft in the Kingdom of Greece 1833-1843. Princeton, N. J. 1968.
Xepapadatos, Antonios: I diki ton stratigon Th. Kolokotronis, D. Plaputa. 3 Bde. Athen 1971/72.

Verfasser

Gunnar Hering (GND: 1078119694)

GND: 119153017

Weiterführende Information (Deutsche Biographie): https://www.deutsche-biographie.de/pnd119153017.html


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Empfohlene Zitierweise: Gunnar Hering, Kolokotronis, Theodoros, in: Biographisches Lexikon zur Geschichte Südosteuropas. Bd. 2. Hgg. Mathias Bernath / Felix von Schroeder. München 1976, S. 437-439 [Onlineausgabe]; URL: https://www.biolex.ios-regensburg.de/BioLexViewview.php?ID=1152, abgerufen am: (Abrufdatum)

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