Biographisches Lexikon zur Geschichte Südosteuropas

Kemény, Zsigmond Baron
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Kemény, Zsigmond Baron

 Kemény, Zsigmond Baron, ungarischer Schriftsteller, Publizist und Politiker, * Alvinc (Komitat Unter-Alba; heute Vințu de Jos) 12.06.1814, † Pusztakamarás (Komitat Kolozs; heute Cămărașu) 22.12.1875, aus einer der ältesten Magnatenfamilien Siebenbürgens, Sohn von Baron Sámuel K. und dessen zweiter Ehefrau, der rumänischen Bürgerstochter Róza Csóka.

Leben

 K.s Mutter wurde von den Verwandten nicht akzeptiert, und als der Vater früh starb, fochten die Halbgeschwister K.s Erbteil an, so daß K. seine Studien im Kollegium von Straßburg (Nagyenyed) nur als Stipendiat absolvieren konnte. Sein Lehrer, der auch als Politiker hervortretende Károly Szász, nahm ihn 1835 mit auf den Klausenburger Landtag, wo er die geistigen und politischen Führer seiner engeren Heimat kennenlernte. K. beteiligte sich fortan am siebenbürgischen politischen Leben und kämpfte als Redner und Redakteur (1840-1843) der Zeitung „Erdélyi Híradó“ (Siebenbürgischer Bote) für die Zielsetzungen der liberalen Opposition. In dieser Zeit schrieb er seine erste größere publizistische Arbeit, die von umstrittenen Wahl- werbemethoden und deren Vermeidung handelte (Korteskedés és ellenszerei, 1843). 1847 übersiedelte K. in die ungarische Hauptstadt, wo er zunächst als Leitartikler, vom Mai bis Dezember 1848 als Redakteur der zentralistischen Tageszeitung „Pesti Hírlap“ (Pester Zeitung) tätig war. K., der sein ganzes Leben Realist blieb und nur an die organische Entwicklung und den allmählichen Fortschritt durch Reformen glaubte, schloß sich im Reichstag dem rechten Flügel der Liberalen an. Obwohl er in vielen Fragen mit Kossuth nicht übereinstimmte, folgte er Anfang Januar 1849 der Regierung nach Debreczin und Arad. In Debreczin mißbilligte er die Thronenthebung der Habsburger und wurde Mitglied der „Friedenspartei“. Nach der Kapitulation hielt sich K. eine Zeitlang verborgen und meldete sich nach dem Abklingen der Haynauschen Terrorwelle Ende 1849 freiwillig beim Pester Kriegsgericht, das ihn im Herbst 1851 freisprach. K.s Flugschriften „Forradalom után“ (Nach einer Revolution, 1850) und „Még egy szó a forradalom után“ (Noch ein Wort nach der Revolution, 1851) waren die ersten öffentlichen Stellungnahmen in Ungarn nach der Niederlage und enthielten bereits die Grundprinzipien des späteren Ausgleichs mit Österreich. K. beschwor darin die Ungarn, sich keinen unerfüllbaren Illusionen hinzugeben und wies den Österreichern nach, daß in Ungarn Revolution und Radikalismus keine echte Grundlage haben, und daß sie deshalb von der Wiedereinführung der 1848er ungarischen Verfassung nichts zu befürchten hätten. Zusammen mit Gábor Kazinczy und Antal Csengery half er daher in der Bachschen Ära Ferenc Deák, die wirkungsvollsten Formen des passiven Wider(Pester Tagebuch), deren Standes auszuarbeiten. Die Tageszeitung „Pesti Napló' Redaktion K. im Juni 1855 übernommen hatte, wurde zum führenden politischen Organ gestaltet, in dem die „Déakpartei“ auch ihre Vorstellungen zum Ausgleich darlegte. Das Zustandekommen des Ausgleichs im Februar 1867 war somit auch K.s Verdienst. Nach Erfüllung dieser Aufgabe trat er im Dezember 1869 von der Redaktion zurück. Im Reichstag 1865/69 war K. neben Déak einer der Abgeordneten der Stadt Pest. K. stellte auch seine schriftstellerische Tätigkeit in den Dienst seiner politischen Ideen. Er vertrat eine deterministische Geschichtsauffassung: Der einzelne gerate mit der historischen Entwicklung notwendigerweise in Konflikt und unterliege dabei auch notwendigerweise. Nach der Katastrophe von Világos arbeitete er einen didaktischen Aspekt heraus: Einzelne wie Nationen hätten sich mit Selbsterkenntnis und Selbstdisziplin der Geschichtsentwicklung anzupassen, da übersteigerte und unrichtig eingesetzte Eigenschaften ins Verderben führten. Die Romane „Gyulai Pál“ (1847), „Özvegy és leánya“ (Witwe und Tochter, 1855), „Rajongók“ (Die Schwärmer, 1858) und „Zord idő“ (Rauhe Zeiten, 1862) können dafür als Beispiel dienen. K. nahm seine Themen vorwiegend aus der siebenbürgischen Geschichte des 16. und 17. Jh.s; die Stärke seines Stils liegt in der Zeit- und Charakterschilderung. K. wurde 1843 korrespondierendes, 1847 Ehrenmitglied der Akademie. Die „Kis- faludy-Gesellschaft“ wählte ihn 1860 zum Mitglied und 1866 zum Vorsitzenden. Die letzten Lebensjahre verbrachte K. in geistiger Umnachtung bei seinem jüngeren Bruder in Siebenbürgen.

Literatur

Beksics, Gusztáv: Kemény Zsigmond, a forradalom és a kiegyezés. Budapest 1883.
Bodnár, Zsigmond: Eötvös és Kemény. Budapest 1905.
Gyulai, Pál: Kemény Zsigmond. In: Emlékbeszédek. Bd 1. Budapest 1914, 159-189.
Papp, Ferenc: Kemény Zsigmond. Budapest 1927.
Sőtér, István: Kemény Zsigmond történelemszemlélete. Budapest 1961.
Barta, János: A politikus Kemény. In: Irod.-Tört. 50 (1962) 269-285.
Kosáry, Domokos: Kemény és Széchenyi 1849 után. In: Irod.-tört. Közl. 67 (1963) 149-170.
Sőtér, István: Nemzet és haladás. Irodalmunk Világos után. Budapest 1963, 445-572.

Verfasser

László Possonyi (GND: 126857636)

GND: 119144689

Weiterführende Information (Deutsche Biographie): https://www.deutsche-biographie.de/pnd119144689.html


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Empfohlene Zitierweise: László Possonyi, Kemény, Zsigmond Baron, in: Biographisches Lexikon zur Geschichte Südosteuropas. Bd. 2. Hgg. Mathias Bernath / Felix von Schroeder. München 1976, S. 397-398 [Onlineausgabe]; URL: https://www.biolex.ios-regensburg.de/BioLexViewview.php?ID=1122, abgerufen am: (Abrufdatum)

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