Biographisches Lexikon zur Geschichte Südosteuropas

Petar I. Petrović Njegoš
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Petar I. Petrović Njegoš

Peter I. (Petar I.) Petrović Njegoš, Bischof (Vladika) von Montenegro 1784-1830, * Njeguši April 1747, † Cetinje 18.10.1830, Sohn des Marko Petrović und seiner Gemahlin Andjuša (Andjelija). P.s weltlicher Name ist unbekannt.

Leben

Im Alter von zehn Jahren von seinem Onkel Sava nach Cetinje geholt und dort dem Mönch Danilo zur Ausbildung anvertraut, wurde P. schon früh Mönch und Archidiakon. 1762 wurde er zusammen mit 15 anderen Montenegrinern von Bischof Vasilije zum Schulbesuch nach Rußland geschickt. Als Vasilije am 21. März 1766 während seines dritten und letzten Rußlandaufenthaltes daselbst starb, mußte P. nach Montenegro zurückkehren, wo Sava ihn zum Priester weihte; 1770 erhielt er den Rang eines Archimandriten und diente dem schon altersschwachen Sava als Gehilfe. Es war augenscheinlich, daß er als Nachfolger vorgesehen war. Im Sommer 1775 schickte Sava P. an der Spitze einer Geheimgesandtschaft ohne Wissen des „Guvernadurs“ (des konkurrierenden weltlichen Chefs von Montenegro) Jovan Radonjić nach Rußland. Es war dies die erste offizielle montenegrinische Gesandtschaft, und ihr Ziel war, die traditionell guten Beziehungen zum Zarenreich wiederaufzunehmen, die durch das Auftreten Šćepan Malis unterbrochen worden waren. Es ist nicht gewiß, ob diese Gesandtschaft jemals in Rußland ankam. 1777 reiste jedenfalls eine zweite montenegrinische Gesandtschaft dorthin; an ihrer Spitze stand diesmal neben P. Jovan Radonjić. Die Delegation weilte sechs Monate in St. Petersburg, wurde aber von Katharina II. überhaupt nicht empfangen. Sava starb am 7. März 1781. Sein Nachfolger wurde zunächst sein Vetter Arsenije Plamenac, der bereits unter Šćepan Mali zum Bischof geweiht worden war. Erst nach dessen Tod am 15. Mai 1784 schlug die Stunde für P.: Er war bereits 1783 in Wien gewesen, um die Zustimmung Kaiser Josephs II. für die Bischofsweihe in Karlowitz (Sremski Karlovci) einzuholen. Am 14. Oktober 1784 wurde P. dort vom serbischen Metropoliten Mojsije Putnik zum Bischof geweiht. Sofort nach seiner Weihe unternahm P. einen neuen Versuch, die Verbindung zu Rußland wiederaufzunehmen. Er reiste erneut nach Rußland, um sich dort als geistliches Oberhaupt von Montenegro vorzustellen; wiederum wurde er bei Hofe nicht vorgelassen und am 8. November 1785 auf Betreiben des Fürsten Potemkin von der Geheimpolizei zum Verlassen der russischen Hauptstadt aufgefordert. P. kehrte im Februar 1786 nach Cetinje zurück, das erst im Sommer des Vorjahres von Kara Mahmud Pascha Bushatlliu zerstört worden war. Ein großer Teil der montenegrinischen Stämme scheint damals die Oberhoheit des mächtigen Paschas von Skutari anerkannt zu haben. P.s Hauptaufgabe mußte deshalb eine „außenpolitische“ sein, nämlich das der Legende nach niemals von den Türken unterworfene Montenegro von der Herrschaft des Paschas zu befreien. Der 1787 ausgebrochene russisch-österreichische Türkenkrieg bot jedoch zunächst keine Chance dafür. Rußland und Österreich waren übereingekommen, daß Montenegro der österreichischen Interessensphäre zufallen sollte, nun schickten aber trotzdem beide Verbündete getrennte Militärmissionen nach Montenegro: Die russische stand unter der Leitung von Major Sava Mirković, die österreichische unter der von Kapitän Filip Vukasović. Durch die Entsendung dieser beiden Delegationen wurde Montenegro in zwei Lager gespalten: ein österreichisches unter Radonjić, und ein russisches, dem trotz aller bisherigen Enttäuschungen P. Vorstand. Österreich und Rußland nahmen gleichzeitig auch Verbindungen zu Kara Mahmud Pascha auf und verlangten von den Montenegrinern, diesem Waffenhilfe zu leisten, wozu es jedoch nicht gekommen zu sein scheint. Sonst liegen über die Lage in Montenegro in diesen Kriegsjahren die widersprüchlichsten Nachrichten vor; nach venezianischen Quellen soll P. sogar selbst mit Kara Mahmud Pascha in Verhandlungen getreten sein. 1788 kam dann noch eine zweite russische Delegation unter Hauptmann Marko Ivelić nach Montenegro. Erst danach kam es zu einer Aussöhnung zwischen der österreichischen und der russischen Partei und zu Angriffen auf türkische Siedlungen, die allerdings zumeist erfolglos blieben. Gegen den Willen P.s wurden auch montenegrinische Freiwillige für die österreichische Armee angeworben und nach Senj eingeschifft. Als die Österreicher Frieden mit den Türken schlossen (Svištov 04.08.1791), erhielten die Montenegriner, die auf österreichischer Seite gekämpft hatten, volle Amnestie zugesichert; im russisch-türkischen Frieden von Jassy (09.01.1792) wurde Montenegro überhaupt nicht erwähnt.
Nach Kriegsende verschärfte sich wieder der Konflikt mit Kara Mahmud Pascha, der sich 1795 mit der Pforte ausgesöhnt hatte. Er konnte sich jetzt erneut seinem alten Plan zuwenden, nämlich Montenegro unter seine Gewalt zu bringen. 1796 griff er die Brda-Stämme mit einem überwiegend aus Albanern bestehenden Heer an, wurde aber am 11. Juli bei Martinići von den zahlenmäßig weit unterlegenen Montenegrinern unter P. vernichtend geschlagen. Ein weiterer Einfall endete mit einer neuen Niederlage am 22. September 1796 bei Krusi (an der Morača), bei der Kara Mahmud Pascha den Tod fand.
Diese Siege über den Pascha von Skutari hatten für Montenegro weit mehr als lokale Bedeutung, sie stellten vielmehr den Beginn der montenegrinischen Unabhängigkeit dar. Erst jetzt konnte P. daran denken, seinem Land eine staatliche Organisation zu geben. Drei Hauptaufgaben standen vor ihm: die Beseitigung der Stammesanarchie, die Vereinigung aller montenegrinischen Gebiete und die Stärkung seiner persönlichen Machtstellung. Bereits im August 1796 beschloß die Versammlung der Stammesältesten (skupština) in Cetinje die Vereinigung der Brda mit Montenegro, und am 18. Oktober 1798 verabschiedete eine im Kloster Stanjevići zusammengetretene Versammlung das erste montenegrinische Gesetz, den „Zakonik obšći crnogorski i brdski“, zu dessen ursprünglich 16 Artikeln 1803 noch 17 weitere hinzukamen. Dieser „Zakonik“ hatte vor allem strafrechtlichen Charakter, was sich aus der Notwendigkeit erklärt, die individuelle Autonomie von Stämmen und Einzelpersonen zugunsten der Schaffung von staatlicher Ordnung und der Sicherung von Rechten für das Gemeinwesen einzuschränken. Besonders einschneidend waren das Verbot der Blutrache und die Einführung einer allgemeinen Steuererhebung. Gleichzeitig wurde (Art. 18 des „Zakonik“) eine Art Regierung eingerichtet, das „Pravitelstvo suda crnogorskog i brdskog“, genannt auch „Kuluk“ (Fron) oder „Senat“. Der „Zakonik“ von P. ging 1855 zum großen Teil in das gleichnamige Gesetzbuch des Fürsten Danilo ein. Seine persönliche Machtstellung konnte P. insofern ausbauen, als er 1797 von der Skupština als alleiniger Inhaber der Staatsgewalt anerkannt und dem Guvernadur Radonjić nur ein beschränktes außenpolitisches Mitspracherecht zugestanden wurde. Das Amt des Guvernadurs abzuschaffen, wie es P. 1818 versuchte, gelang erst seinem Nachfolger Petar II. (1832).
Ein weiteres Problem, das P. für seinen im Entstehen begriffenen Staat zu lösen versuchte, war der Zugang zum Meer. Nach der Auflösung der Republik Venedig (Frieden von Campoformio 1797) hatte Napoleon I. Dalmatien und die Boka den Österreichern zugesprochen. P. versuchte dem zuvorzukommen und besetzte Budva und das umliegende Küstenland, mußte es aber noch im gleichen Jahre auf russischen Druck hin dem österreichischen General Mathias Rukavina übergeben. Als Österreich nach dem Frieden von Preßburg (25.12.1805) Dalmatien und die Boka den Franzosen übergeben sollte, ließ P. mit Unterstützung der russischen Flotte die ganze Boka besetzen; der Frieden von Tilsit (26.06.1807) machte dann auch diesem zweiten Versuch, einen Zugang zum Meer zu finden, ein Ende. Während des Napoleonischen Rußlandfeldzuges gründete P. mit russischem und englischem Einverständnis eine „Zentral-Kommission“ (Centralna komisija), deren Vorsitz er selbst übernahm, und die am 29. Oktober 1813 die Vereinigung der Boka mit Montenegro proklamierte. Montenegro verlor dieses Gebiet jedoch schon ein Jahr später wieder im 1. Pariser Frieden (12.05.1814).
1820 hatte P. noch eine, die letzte, Auseinandersetzung mit den Türken. Als Celâleddin Pascha von Bosnien die Brda-Stämme im Gebiet der Oberen Morača zur Unterwerfung zwingen wollte, schlugen diese mit montenegrinischer Unterstützung die türkischen Truppen und schlossen sich Montenegro an, das sich jetzt bis zur Tara erstreckte.
P. kann als der Wegbereiter des modernen montenegrinischen Staates bezeichnet werden; obwohl von der serbisch-orthodoxen Kirche 1835 heiliggesprochen, faßte er sein Amt mehr als politisches, denn als religiös-kirchliches auf. Sein Nachfolger Petar II. führte in Vielem nur das aus, was P. bereits vorbereitet hatte.

Literatur

Djordjević, Vladan: Crna Gora i Austrija u XVIII veku. Beograd 1912.
Vuksan, Dušan D.: Poslanice Mitropolita crnogorskog Petra I Crnogorcima, Brdjanima i Primorcima. S predgovorom Mitropolita crnogorskog Gavrila. Cetinje 1935.
Lekić, Dušan: Spoljna politika Petra I Petrovića Njegoša (1784-1830). Cetinje 1950.
Vuksan, Dušan: Petar I Petrović Njegoš i njegovo doba. Cetinje 1951.
Popović, Petar I.: Crna Gora u doba Petra I i Petra II. Beograd 1951.
Stanojević, Gligor: Crna Gora pred stvaranje države 1773-1796. Beograd 1962.

Verfasser

Peter Bartl (GND: 133417492)


GND: 118882384

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Empfohlene Zitierweise: Peter Bartl, Petar I. Petrović Njegoš, in: Biographisches Lexikon zur Geschichte Südosteuropas. Bd. 3. Hgg. Mathias Bernath / Felix von Schroeder. München 1979, S. 436-439 [Onlineausgabe]; URL: https://www.biolex.ios-regensburg.de/BioLexViewview.php?ID=1523, abgerufen am: (Abrufdatum)

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