Cvetković, Dragiša

GND: 119357488

Cvetković, Dragiša, jugoslawischer Politiker, * Niš 15.01.1893, † Paris 18.02.1969.

Leben

C. studierte Jura in Subotica. Als Mitglied der „Radikalen Partei“ des Nikola Pasić begann er mit seiner politischen Tätigkeit auf Kommunalebene (in Niš 1922 bis 1929), wurde 1927 Abgeordneter in der Skupština und 1928 Minister für Glaubensfragen. Nach der Einführung der Königsdiktatur (06.01.1929) wurde C. Mitglied der „Opposition“ gegen das totalitäre Regime König Alexanders I. Karadjordjević. Nach dessen Ermordung am 9. Oktober 1934 näherte er sich der „Jugoslawischen Radikalen Union“ (JRZ) unter Milan Stojadinović. 1935 wurde C. abermals Skupština-Abgeordneter und Minister für Sozialpolitik und Volksgesundheit in der rechtsorientierten Regierung Stojadinović. Angesichts des Druckes der die Integrität Jugoslawiens bedrohenden „kroatischen Frage“ und der in ganz Jugoslawien wachsenden politischen Opposition gegen die autoritäre Staatsführung (Verluste der Regierung bei den Dezemberwahlen 1938) gehörte C. im Einvernehmen mit dem Prinzregenten Paul Karadjordjević und dem Slowenenführer Anton Korošec zu den Initiatoren des Sturzes von Stojadinović (03.02.1939).
Die folgende Periode bedeutete im theoretischen Ansatz eine Abkehr von der politischen Konzeption Stojadinovićs (harter Kurs in der Innenpolitik bei gleichzeitiger Anlehnung an das Dritte Reich) und zielte auf dem Wege einer innenpolitischen Entspannung und Konsolidierung (Verständigung mit den Kroaten und Demokratisierung des politischen Lebens) auf einen erweiterten außenpolitischen Aktionsradius ab (Ausbau der Beziehungen zu Großbritannien und Frankreich unter der offiziellen Parole strikter Neutralität). Zur Verwirklichung dieser politischen Neuorientierung ernannte Prinzregent Paul den wenig profilierten C. zum Ministerpräsidenten (5.02.1939).
Wichtigstes innenpolitisches Ergebnis der neuen Regierung war die Verständigung (Sporazum) zwischen C. und dem Kroatenführer Vladimir Maček (26.08.1939), welche die Errichtung einer autonomen Banschaft Kroatien vorsah (Liquidierung des zentralistischen Staatsaufbaus und de-facto-Anerkenung der „kroatischen Nation“). An die Stelle der ersten C.-Regierung trat die erweiterte Regierung C.-Maček (bis 27.03.1941). Es gelang ihr nicht, einen tatsächlichen Ausgleich der national-chauvinistischen Antagonismen herbeizuführen. Der „Sporazum“ erwies sich lediglich als taktisches Stillhalteabkommen zwischen den serbischen und kroatischen Machtfaktoren. In der Demokratisierung (Änderung des Wahlrechts u. a.) sowie im sozialen Bereich wurden keine entscheidenden Fortschritte erzielt.
Auch in der jugoslawischen Außenpolitik kam es aus Furcht vor der Machtausweitung der Achse zu keiner nachhaltigen Neuorientierung, sondern nur zu einer vorsichtig lavierenden neuen Taktik (Geheimgespräche mit den Chefs des britischen und französischen Generalstabs über die evtl. Bildung einer alliierten Balkanfront). Tatsächlich aber geriet Jugoslawien zusehends in die Abhängigkeit vom Dritten Reich (wirtschaftliche und innenpolitische Konzessionen: Ausweitung des deutsch-jugoslawischen Handels, Eindringen deutschen Kapitals, Zugeständnisse an die deutsche Volksgruppe, antijüdische Gesetze etc.). Anfang 1941 glaubten der Prinzregent und C., der Einkreisung durch die Verbündeten der Achse und der Bedrohung der jugoslawischen Integrität (italienische Aspirationen auf Dalmatien und kroatische Separatisten) nur durch die offizielle Aufgabe der Neutralität und dem Beitritt zum Dreimächtepakt - unter geheim zugesichertem Verzicht der Achsenmächte auf Erfüllung der militärischen Vertragspflichten Jugoslawiens und bei Anerkennung der jugoslawischen Interessen an Saloniki - entgehen zu können (25.03.1941). Zwei Tage später wurde die Regierung durch den Putsch des Generals Dušan Simović gestürzt, was in der weiteren Folge zum deutschen Angriff und zum Zusammenbruch des alten Jugoslawien führte. C. bieb noch bis 1943 in Jugoslawien, danach lebte er im Exil.

Literatur

Cvetković, Dragiša: Dokumenti o Jugoslaviji. 10 Hefte. Paris 1951/57.
Ders. (Tsetkovitch): Prince Paul, Hitler and Saloniki. In: Intern. Affairs 27 (1951) 463-469 (vgl. dazu den unter demselben Titel erschienenen Aufsatz von Knjejevitch, R. L.: ebd. 38-44).
Čulinović, Ferdo: Jugoslavija izmedju dva rata. Bd 2. Zagreb 1963, 134-191.
Milanović, Nikola B.: Od marseljskog atentata do Trojnog pakta. Zagreb 1963.
Boban, Ljubo: Sporazum Cvetković-Maček. Beograd 1965.
Wuescht, Johann: Jugoslawien und das Dritte Reich. Stuttgart 1969.

Verfasser

Holm Sundhaussen (GND: 120956055)

Empfohlene Zitierweise: Holm Sundhaussen, Cvetković, Dragiša, in: Biographisches Lexikon zur Geschichte Südosteuropas. Bd. 1. Hgg. Mathias Bernath / Felix von Schroeder. München 1974, S. 352-353 [Onlineausgabe]; URL: https://www.biolex.ios-regensburg.de/BioLexViewview.php?ID=697, abgerufen am: 29.04.2024