Alexander I., Prinz von Battenberg, Fürst von Bulgarien

GND: 118653520

Alexander I., Prinz von Battenberg, Fürst von Bulgarien 1879-1886, * Verona 5.04.1857, † Graz 17.11.1893, Sohn des Prinzen Alexander von Hessen und der Gräfin Julie Haucke.

Leben

A.s Vater, ein Schwager des Zaren Alexander II., bemühte sich mit Ehrgeiz und Geschick, die Stellung seiner Kinder aus seiner nicht ebenbürtigen Ehe mit der Gräfin Julie Haucke zu sichern, wobei ihm die Verbindungen des Hauses Hessen mit dem englischen Königshaus halfen. 1858 wurde den Kindern der hessische Prinzentitel und der Name „von Battenberg“ nach einem kleinen hessischen Ort verliehen. Für den zweiten von vier Söhnen, A. (dessen Taufpaten Zar Alexander II. und Feldmarschall Radetzky waren), der in der Garde du Corps in Berlin diente, erlangte der Vater 1879 vom Zaren und durch geschickte Behandlung der Teilnehmer des Berliner Kongresses die Fürstenwürde des neu geschaffenen Bulgarien. A. galt als idealer „Kompromiß-Kandidat“: ein deutscher Prinz, als Sohn eines k. u. k.-Generals Österreich, als Verwandter der Königin England genehm, schien er als Neffe des Zaren die Gewähr zu bieten, seine Mission sowohl im russischen als auch im europäischen Sinne zu erfüllen.
Der 22jährige, charaktervolle, aber unerfahrene Fürst scheiterte in einer Stellung, die nur aus Widersprüchen bestand. Beauftragt, als Fürst Bulgariens dessen Staatwerdung zu fördern, sollte er als russischer Statthalter darauf hinarbeiten, das Land in ein russisches Donau-Gouvernement, die Armee in ein russisches Armee-Corps zu verwandeln (Oberkommando, Kriegsministerium und alle Offiziersstellen behielt sich Rußland vor). Die liberale „Verfassung von Tŭrnovo“ (1879) beschränkte die Macht des Fürsten in einer damals unerhörten Weise; ihre demokratischen Freiheiten - z. B. volle Pressefreiheit, die es sonst in keinem anderen Lande Europas gab - führten bei der politischen Unreife des Landes zu heftigsten Parteikämpfen, in denen „Liberale“ und „Konservative“ um Macht und Pfründen rangen. Der Fürst mußte entweder vom ersten Tage an Marionette sein oder aber den Übergriffen der Russen und der innerpolitischen Anarchie wehren. Sein Charakter gebot ihm das letztere, wobei er sich durchaus dem Zaren persönlich verantwortlich fühlte. Auf dessen Wohlwollen gestützt, lavierte er zwischen den selbstherrlichen russischen Generalen und den sich bekämpfenden Parteien. Er versuchte, sich auf die „westlich“ orientierten Konservativen zu stützen (Stoilov, Načovič), sah sich jedoch meist Mehrheiten der radikal-demokratischen Liberalen gegenüber (Cankov, Karavelov, Stambolov, Bischof Kliment). Der Tod Alexanders II. (1881) beraubte den Fürsten seiner einzigen Stütze. Doch wagte er, gestützt auf Ernroth, den einzigen zuverlässigen russischen Kommissar, den Staatsstreich, ließ die Verfassung suspendieren und sich Vollmachten auf sieben Jahre übertragen. Dieser Machtzuwachs ließ Rußland und Zar Alexander III. endgültig zu seinen Gegnern werden. Ernroth wurde abberufen und der Fürst gezwungen, mit den Generälen Sobolev und Kaulbars zu regieren, die eine Art Diktatur errichteten. Als er sich ihrer mit Hilfe des Liberalen Cankov entledigte (September 1883), kam es zum offenen Bruch mit Rußland, das nun auf den Sturz des „Verräters“ hinarbeitete. Der Preis für die Unterstützung durch die Liberalen war die Wiedereinsetzung der Verfassung und das Wiederaufleben der Parteikämpfe. Je schlechter das Verhältnis zu Rußland wurde, desto mehr versuchte sich A. an Österreich und England anzulehnen, die es aber bei verbalen Ermutigungen beließen. Die persönliche Neigung der „Queen“ zu „Sandro“ bedeutete keine politische Hilfe; sie hätte ihn gern mit ihrer Enkelin Victoria, der Tochter des deutschen Kronprinzen, vermählt. Bismarck bekämpfte dieses Projekt aus persönlicher und politischer Gegnerschaft gegen A. und den englischen Einfluß.
Im September 1885 proklamierte die durch den Berliner Kongreß von Bulgarien getrennte Provinz Ostrumelien ihre Vereinigung mit dem Fürstentum. Unter dem Druck der nationalen Begeisterung vollzog der Fürst diese Vereinigung, die den offenen Bruch des Berliner Vertrages darstellte. Aber gegenseitiges Mißtrauen hinderte die Großmächte am Eingreifen; Rußland zog als Pression alle seine Offiziere aus Bulgarien zurück. Daraufhin begann Serbien unter Österreichs Duldung einen Krieg gegen Bulgarien; doch die führerlose bulgarische Armee unter persönlicher Leitung A.s brachte den Serben eine katastrophale Niederlage bei (Sieg bei Slivnica 1885). Die Großmächte verhinderten eine Ausnutzung des Sieges, ebenso die Anerkennung der Union mit Ostrumelien. Diese Mißerfolge bildeten den Grund zu einer von Rußland geschürten Verschwörung unzufriedener Offiziere, die am 21. August 1886 den Fürsten aus seinem Palais entführten und über die russische Grenze brachten. Nach einer erfolgreichen Gegenrevolution unter der Führung Stambolovs kehrte der Fürst im Triumph zurück. A. kapitulierte jedoch vor der fortdauernden Gegnerschaft Rußlands und den innenpolitischen Schwierigkeiten und dankte am 4. September ab. Er verließ das Land unter den Tränen der Bevölkerung als Volksheld und Märtyrer der Unabhängigkeit.
In Deutschland entfesselte Bismarck nochmals einen Feldzug gegen das Heiratsprojekt des „Battenbergers" , an dessen politisches Hervortreten als Gefahr für das deutsch-russische Verhältnis er immer noch glaubte (Rücktrittsdrohung Bismarcks am 31. März 1888). Der gedemütigte und resignierte A. nahm den Titel eines Grafen von Hartenau an, heiratete die Sängerin Johanna Loisinger und diente in der österreichischen Armee. Bereits 1893, mit 36 Jahren, starb er. Seine Leiche wurde unter großem Gepränge in Sofia beigesetzt. So unglücklich sein persönliches Schicksal, so erfolglos sein politisches Handeln war, verkörperte A. doch als „Sieger von Slivnica“ den bulgarischen Selbstbehauptungswillen, der als geschichtliche Kraft dem Drang Rußlands nach den Meerengen und den übrigen Einflußbestrebungen der Großmächte entgegenstand.

Literatur

Leonov, R.: Geheime Dokumente der russischen Orientpolitik 1881-1890. Berlin 1893.
Hajek, Alois: Bulgariens Befreiung und staatliche Entwicklung unter seinem ersten Fürsten. München, Berlin 1939 (mit Bibliographie).
Corti, Egon Caesar: Leben und Liebe Alexanders von Battenberg. Graz 1949.

Empfohlene Zitierweise: Joachim von Königslöw, Alexander I., Prinz von Battenberg, Fürst von Bulgarien, in: Biographisches Lexikon zur Geschichte Südosteuropas. Bd. 1. Hgg. Mathias Bernath / Felix von Schroeder. München 1974, S. 32-34 [Onlineausgabe]; URL: https://www.biolex.ios-regensburg.de/BioLexViewview.php?ID=418, abgerufen am: 13.10.2024