Vlačić, Matija Ilirik

GND: 118533649

Vlačić, Matija Ilirik (Matthias Flacius Illyricus), kroatischer protestantischer Theologe, Kirchenhistoriker und Philologe, * Labin (Albona, Istrien) 3.03.1520, † Frankfurt/Main 11.03.1575.  

Leben

V. erhielt seinen Unterricht beim venezianischen Humanisten Baptist Egnatius und wurde 1539 von seinem Onkel Baldo Lupetin, Ordensprovinzial der Franziskaner und geheimer Anhänger Luthers, nach Deutschland geschickt. Er hielt sich zuerst bei Luther in Wittenberg auf und begab sich dann nach Augsburg und Basel, wo er sein Griechischstudium abschloß und zuzüglich Hebräisch lernte. Nach einer kurzen Zwischenstation in Tübingen ließ er sich wieder in Wittenberg nieder und fand in den Kreis Luthers und Melanchthons Eingang. Im Jahre 1544 wurde er magister artium und Professor für Griechisch sowie Hebräisch an der Wittenberger Universität und verblieb fünf Jahre in dieser Stellung. Luther betrachtete ihn lange Zeit als seinen Nachfolger und war auch bei seiner Hochzeit im Jahre 1545 anwesend. Als aber Wittenberg vor der Politik Kaiser Karls V. kapitulierte und es durch die Protestanten bzw. Melanchthon zur Annahme des Augsburger- und Leipziger- Interims kam (1548), floh V. 1549 aus der Stadt und ging als entschiedener Verfechter der lutherischen Ideen zum Kampfe gegen den Kaiser, den Papst und die Landesfürsten über. In Magdeburg, wo er Zuflucht gefunden hatte, bestritt er öffentlich das Interim und veröffentlichte im Laufe der vierzehnmonatigen Belagerung der Stadt durch die Truppen Moritz’ von Sachsen 35 propagandistische antikaiserliche und antirömische Schriften. Nach der Kapitulation und als die versöhnende Politik im Religionsfrieden von Augsburg (1555) ihren Niederschlag fand, wurde V. zur führenden Persönlichkeit bei den innerprotestantischen Differenzen in Glaubens- und Erkenntnisfragen sowie in der dogmatischen Lehre. 1557 wurde er als Professor für Neutestamentliche Wissenschaft nach Jena berufen, das er 1561 im Zusammenhang mit dem Synergistischen Streit (die Erbsünde sei kein Akzidens, sondern die forma substantialis des Menschen) wieder verlassen mußte. Er floh nach Regensburg, wo er u. a. sein exegetisches Werk „Clavis scripturae sacrae“ verfaßte. 1563 begab er sich für einige Zeit in die Steiermark, nach Krain und Istrien. 1566 mußte er Regensburg verlassen und bot in Antwerpen seinen Dienst beim Aufsetzen eines Glaubensbekenntnisses an, das er Wilhelm I., Prinz von Oranien, widmete. Zu Anfang 1567 hielt er sich in Frankfurt auf, bis Oktober des Jahres wurde Straßburg sein Domizil, dann lebte er in Mansfeld, Berlin und Frankfurt, wo er vor der nächsten Ausweisung starb.
Die Zahl der von V. gedruckten Arbeiten beträgt ohne Hinzurechnung der mehrsprachigen Ausgaben etwa 200, ein Großteil davon ist propagandistischer und polemischer Natur. Zu seinen bedeutendsten Leistungen gehört die Herausgabe der „Centuriae Magdebur- genses“ in acht Bänden (Basel 1559/74), die erste protestantische Darstellung der Kirchengeschichte. Die Behandlung und Einteilung des Stoffes zeigen deutlich, daß es sich dabei um ein Werk mit enzyklopädischem Charakter handelt. V. hat für diese Gemeinschaftsarbeit zahlreiche bedeutende Persönlichkeiten gewinnen können. Es werden darin zwölf Jahrhunderte nach einem genauen Schema behandelt, das in jedem Teil wiederkehrt. Im „Catalogus testimonium veritatis“, einem Werk, das von V. allein verfaßt wurde, befaßt er sich mit jenen Personen, die schon vor Luther gegen den Papst und die Irrtümer der Kirche gekämpft haben. Die reifste und umfangreichste Arbeit V.s ist jedoch seine „Clavis scripturae“, mit der er zum Schöpfer der protestantischen Hermeneutik wurde und die bis heute ihren führenden Platz in der protestantischen Theologie behauptet hat. Sie entstand in Jena und Regensburg, wurde nach zehnjähriger Tätigkeit beendet und erschien 1567 zum ersten Male in Basel.
Trotz der Tatsache, daß V. fast sein ganzes Leben außerhalb seiner Heimat verbracht hat, übte er dennoch einen erheblichen Einfluß auf die südslawischen Reformatoren aus. Er beschäftigte sich eingehend mit dem Illyrismus, betrachtete die illyrische Sprache als vierte Hauptsprache wie als Volkssprache der Südslawen und plädierte für eine einheitliche kroatisch-slowenische Sprache. Im Protestantismus sah V. jene übernationale Form, in welcher ihm eine Vereinigung aller südslawischen Völker möglich schien, und er plante in diesem Zusammenhang die Gründung von protestantischen Akademien in Regensburg und Klagenfurt (Semiacademiola). Gleichzeitig sollte durch diese Einrichtungen der Einfluß der Jesuiten aus Ingolstadt, Wien und Padua unterbunden werden. Es gelang jedoch V. nicht, die Bewilligung zur Ausführung dieser Vorhaben zu erhalten. Die kroatischen und slowenischen Reformatoren, insbesondere Primož Trubar, bedienten sich aber nicht nur seines Rates, sondern auch seiner Schriften, ohne allerdings den Autor hervorzustreichen. Die große Bedeutung der Persönlichkeit V.s liegt aber darin, daß er sich als Haupt der Gnesiolutheraner mit ganzer Kraft für die Reinerhaltung der lutherischen Lehre einsetzte und zum Begründer der protestantischen Kirchengeschichtsschreibung und Hermeneutik wurde.

Literatur

Twesten, August: Matthias Flacius Illyricus. Berlin 1844.
Preger, Wilhelm: Matthias Flacius Illyricus und seine Zeit. 2 Bde. Erlangen 1859/61. (Fotomechan. Nachdruck/Hildesheim u. Nieuwkoop 1964.)
Nacinovich, E.: Flacio, studio biografo-storico. Rijeka 1886.
Haikola, Lauri: Gesetz und Evangelium bei M. F. Illyricus. Lund 1952.
Mirković, Mijo: Pokušaj Matije Vlačića Ilirika da osnuje sveučilište u Regensburgu i u Celovcu. In: RAD JAZU 300 (1954) 537-573.
Mirković, Mijo: Matija Vlačić Ilirik. Zagreb 1960.
Verheus, S. L.: Zeugnis und Gericht. Kirchengeschichtliche Betrachtungen bei Sebastian Franck und Matthias Flacius. Nieuwkoop 1971.

Verfasser

Manfred Stoy (GND: 1125126671)

Empfohlene Zitierweise: Manfred Stoy, Vlačić, Matija Ilirik, in: Biographisches Lexikon zur Geschichte Südosteuropas. Bd. 4. Hgg. Mathias Bernath / Karl Nehring. München 1981, S. 419-420 [Onlineausgabe]; URL: https://www.biolex.ios-regensburg.de/BioLexViewview.php?ID=1848, abgerufen am: 20.04.2024