Todorović, Pera

GND: 121996077

Todorović, Pera, serbischer Politiker und Journalist, * Vodice (bei Smederevska Palanka) 2.05.1852, † Belgrad 24.10. 1907.

Leben

Während eines Pädagogik-Studiums in Zürich lernte T. Ende der 60er/Anfang der 70er Jahre des 19. Jh.s den russischen Nihilisten Michail Aleksandrovič Bakunin kennen und wurde mit den Ideen der russischen Sozialutopisten (vor allem Nikolaj Gavrilovič Cernyševskijs) vertraut. Nachdem er 1871 nach Serbien zurückgekehrt war, schloß er sich dem Kreis um den serbischen Sozialisten Svetozar Markovič an und arbeitete in dessen Zeitungen „Javnost“ (Die Öffentlichkeit), „Glas Javnosti“ (Stimme der Öffentlichkeit) und „Oslo- bodjenje“ (Befreiung) bzw. „Staro Oslobodjenje“ (Alte Befreiung) mit. 1874 übernahm er die Redaktion der ersten sozialistischen Zeitschrift in Serbien „Rad“ (Arbeit).
1876 wurde er in Zusammenhang mit den Arbeiterdemonstrationen in der von den Anhängern Markovičs seit den Gemeindewahlen vom November 1875 regierten Stadt Kragujevac auf Einschreiten des Fürsten Milan Obrenovič verhaftet. Bei Ausbruch des ersten serbisch-türkischen Krieges (Juni 1876-- März 1877) erhielt er Gelegenheit, sich als Freiwilliger an die Front zu melden (vgl. dazu sein historisch interessantes „Tagebuch eines Kriegsfreiwilligen“: Dnevnik jednog dobrovoljca, Belgrad 1881, letzte Neuaufl. ebd. 1964). Erst danach, am 21. April 1877, verurteilte ihn das Appellationsgericht wegen der Affäre in Kragujevac in absentia zu vier Jahren Haft. T. hielt sich in dieser Zeit in Südungarn auf, wo er mit Lazar Paču die sozialistische Zeitschrift „Straža“ (Die Wache) herausgab. Erst 1880, nach dem Sturz des Kabinetts Jovan Ristič, kehrte er nach einem zwischenzeitlichen Aufenthalt in Paris nach Serbien zurück.
Entscheidend war T. an der Gründung und Organisation der Radikalen Partei (Narodna radikalna stranka, seit 8.01.1881) beteiligt. Als einer der Hauptmitarbeiter ihres Organs „Samouprava“ (Selbstverwaltung) und als Redakteur der erneut herausgegebenen Zeitschrift „Rad“ gehörte er zwischen 1881 und 1883 zu den bedeutendsten Journalisten der inzwischen von den Ideen Markovičs abgerückten radikalen Bewegung in Serbien. Zur Zeit der größten Spannungen zwischen König Milan und den zur stärksten Parteigruppierung avancierten Radikalen kam es Mitte Oktober 1883 unter der ländlichen Bevölkerung im Timok-Gebiet (Ostserbien) zu Unruhen, dem letzten serbischen Bauern-Aufstand, den die Führer der Radikalen Partei zu ihren Gunsten zu beeinflußen hofften.
König Milan ließ daraufhin die Parteispitze (mit Ausnahme des geflohenen Nikola Pasic) internieren. T. wurde zusammen mit anderen Parteiführern von einem Standgericht zum Tode verurteilt und dann zu 10 jähriger Haft begnadigt.
Nach dem serbisch-bulgarischen Krieg (November 1885-März 1886) versuchte König Milan, die Mitarbeit der Radikalen zu gewinnen. Unter Hinweis auf die gespannte außenpolitische Lage des Landes bot er T. und seinen Parteigenossen die Begnadigung an, falls sie zu einem Zusammengehen mit der Fortschrittspartei (Napredna stranka) bereit wären. Der am 1. Januar 1886 aus der Haft entlassene T. konnte sich jedoch mit diesem Vorschlag in der Partei, die ein Bündnis mit den Liberalen bevorzugte, nicht durchsetzen. In der „Samouprava“ griff er die radikal-liberale Oppositions-Koalition an und wurde, nachdem er den Posten eines Kommissars der neugegründeten Nationalbank angenommen hatte, als „Agent des Königs“ Ende 1886 aus der Radikalen Partei ausgeschlossen. Als die radikalliberale Koalition anschließend die Regierung übernahm, wurde er auch aus dem Staatsdienst entlassen. Erst unter der Ministerpräsidentschaft des vom König wieder eingesetzten Nikola Hristić trat er als Abteilungsvorstand im Volkswirtschaftsministerium abermals in den öffentlichen Dienst. Nach dem Rücktritt König Milans und dem Sturz Hristićs im Februar/März 1889 verlor er seine Stellung zum zweiten Mal und arbeitete fortan ausschließlich als Journalist, Redakteur und Romancier des Zeitgeschehens (vgl. seinen Roman „Smrt Karadjordjeva“ [Der Tod des Karadjordje] Belgrad 1928, Neuaufl. ebd. 1958). Bis 1903 gab er die „Male Novine“ (Kleine Zeitung), das erste serbische Boulevardblatt, heraus.

Literatur

Jovanović, Jovan: Političke i pravne rasprave. Bd 1. Beograd 1908 (vgl. auch den neueren Sammelbd.: Ders.: Portreti iz istorije i književnosti. Novi Sad, Beograd 1963).
Živanović, Živan: Politička istorija Srbije u drugoj polovini 19 veka. Bd 2. Beograd 1924.
Janković, Dragoslav: Prve radničke demonstracije u Srbiji (u Kragujevcu 1876 god.). In: Ist. Čas. 3 (1951/52) 157-188.
Timočka buna 1883. 2 Bde. Priredio Milan M. Nikolić. Beograd 1954/55.
Ninčić, Velizar: Pera Todorović. Beograd 1956.

Verfasser

Holm Sundhaussen (GND: 120956055)

Empfohlene Zitierweise: Holm Sundhaussen, Todorović, Pera, in: Biographisches Lexikon zur Geschichte Südosteuropas. Bd. 4. Hgg. Mathias Bernath / Karl Nehring. München 1981, S. 335-336 [Onlineausgabe]; URL: https://www.biolex.ios-regensburg.de/BioLexViewview.php?ID=1791, abgerufen am: 25.04.2024