Pârvan, Vasile

GND: 119326477

Pârvan, Vasile, rumänischer Archäologe, Historiker, Geschichts- und Kulturphilosoph, * Perchiu (Gemeinde Huruieşti, Moldau) 10.10.1882, † Bukarest 26.06.1927, Sohn des Lehrers Andrei P.

Leben

Nach dem Besuch des Gymnasiums von Bîrlad (bis 1900) studierte P. Geschichte an der Universität Bukarest und machte 1904 das Staatsexamen. Zu seinen Bukarester Lehrern gehörten Iorga, Onciul und Bogdan. In der ersten Zeit beschäftigte sich P., hauptsächlich unter dem Einfluß Onciuls, mit der mittelalterlichen rumänischen Geschichte. Von 1904 bis 1908 studierte P. in Jena, Berlin und Breslau und erwarb 1908 den Doktorgrad der philosophischen Fakultät der Breslauer Universität mit der Arbeit „Die Nationalität der Kaufleute im römischen Kaiserreiche“ (erschienen 1909). Vor seiner Rückkehr nach Rumänien bereiste er England, Frankreich und insbesondere Italien, wo er an archäologischen Ausgrabungen teilnahm. 1909 erhielt P. die Ernennung zum stellvertretenden Professor für Altertumsgeschichte und Epigraphie an der Universität Bukarest. 1911 veröffentlichte er seine Studie „Contribuţii epigrafice la istoria creştinismului daco-roman“ (Epigraphische Beiträge zur Geschichte des dako-romanischen Christentums) und begann mit den archäologischen Ausgrabungen in der Dobrudscha, worauf er im darauffolgenden Jahr mehrere wichtige Arbeiten über die Burgen Tropaeum und Ulmetum publizierte. Er setzte seine archäologischen Forschungen bis 1916 fort und stellte zusammen mit dem Internationalen Verband der Akademien (mit Sitz in Brüssel) eine archäologische Karte Rumäniens zusammen. 1913 wurde P. in die Rumänische Akademie aufgenommen; gemeinsam mit Iorga gründete er im selben Jahr in Bukarest das Südosteuropa-Institut, gemeinsam mit Gusti 1918 in Jassy die Gesellschaft für Sozialkunde und Sozialreform (Asociaţia pentru ştiinţă şi reforma socială). Ebenfalls mit Iorga gründete P. 1921 auch die Academia di Romania a Roma (Şcoala Română din Roma) und wurde zu derem ersten Direktor ernannt. 1923 gründete P. die Zeitschrift „Ephemeris Dacoromana“, die in Rom und Bukarest erschien, 1924 die Zeitschrift „Dacia“, die in Bukarest herauskam. Von 1919 bis 1926 war P. Sekretär der historischen Sektion der Rumänischen Akademie, von 1921 bis 1922 stellvertretender Vorsitzender, von 1923 bis 1927 Generalsekretär derselben. Als Mitbegründer der neuen rumänischen Universität in Klausenburg (1919/20) hielt er an deren philosophischen Fakultät Vorlesungen zur Altertums- und Kunstgeschichte. 1925 wurde P. zum korrespondierenden Mitglied der Pontificia Accademia Romana di Archeologia ernannt. Er war außerdem Mitglied der Kommission für historische Denkmäler, Direktor des Nationalmuseums, Mitglied des deutschen archäologischen Instituts in Berlin, Mitglied der Reale Società Romana di Storia Patria und der Regia Accademia dei Lincei (eine Auszeichnung, die ihn erst nach seinem Tode erreichte). Außerdem war P. wiederholt Gastprofessor in London, Cambridge und an der Sorbonne. Zu P.s wichtigsten Werken zählen „Începuturile vieţii romane la gurile Dunării“ (Die Anfänge romanischen Lebens an der Donaumündung, 1923), „Historia“ (1923), „La pénétration hellénique et hellénistique dans la vallée du Danube“ (1923), „Getica, o proto-istorie a Daciei“ (Getica, eine Frügeschichte Daziens, 1926), - eine umfassende historisch-archäologische Synthese, in der er den Versuch unternahm, die politische und kulturelle Rolle der Geten und Daker zu durchleuchten, sowie „Dacia. An outline of the early civilisations of the Carpatho-Danubian Countries“ (1928; rumänische Fassung 1937). Neben diesen und anderen historischen und archäologischen Schriften schrieb P. auch einige kultur- und geschichtsphilosophische Werke, darunter „Ideile fundamentale ale culturii sociale contemporane“ (Die Grundgedanken der zeitgenössischen Sozialkultur, 1919), „Idei şi forme istorice“ (Historische Ideen und Formen, 1920), „Memoriale“ (1923) usw. Als Geschichtsphilosoph nimmt P. eine Stellung zwischen den Neuhegelianern und Neukantianern ein. Er betonte immer wieder den unvollständigen, partiellen, subjektiven Charakter des richtigen Erkennens der Vergangenheit. So gelangte er auf theoretischem Wege praktisch zu einer Negation seiner eigenen Ergebnisse, zu denen er als pragmatischer Historiker durch die objektive Erforschung der Quellen gelangt war.

Literatur

ln memoriam Vasile Pârvan. Bucureşti 1934.
Condurachi, Emil: Vasile Pârvan (1882- 1927). Bucureşti 1957.
Pârvan, Vasile: Corespondenţa şi acte. Hrsg. Alexandru Zub. Bucureşti 1973.
Zub, Alexandru: Vasile Pârvan 1882-1927. Biobibliografie. Bucureşti 1975.

Verfasser

Dionisie Ghermani (GND: 118893238)

Empfohlene Zitierweise: Dionisie Ghermani, Pârvan, Vasile, in: Biographisches Lexikon zur Geschichte Südosteuropas. Bd. 3. Hgg. Mathias Bernath / Felix von Schroeder. München 1979, S. 401-402 [Onlineausgabe]; URL: https://www.biolex.ios-regensburg.de/BioLexViewview.php?ID=1499, abgerufen am: 29.04.2024