Onciul, Dimitrie

GND: 132151820

Onciul, Dimitrie, rumänischer Historiker, * Straja (Bukowina) 07.11.1856, † Bukarest 20.03.1923, Sohn eines griechisch-orthodoxen Geistlichen.

Leben

O. besuchte ab 1876 das Gymnasium in Czernowitz und begann hier sein Studium an der (im Oktober 1875 eröffneten) Franz-Josephs-Universität. Er erhielt hier eine solide wissenschaftliche Grundlage, die ihm ein erfolgreiches weiterführendes Studium in Wien ermöglichte. In Wien (1879-1881) machte er sich als Schüler berühmter zeitgenössischer Historiker mit der wissenschaftlich-kritischen Methode der deutschen historischen Schule vertraut. Wieder in Czernowitz, legte er die Staatsprüfung in Geschichte, Geographie und Philosophie ab und promovierte schließlich dortselbst 1884 mit einer Dissertation zum Thema „Über die Anfänge des rumänischen Staatswesens“. Von 1885 bis 1895 war O. Geschichtslehrer am Czernowitzer Gymnasium. Zwischendurch setzte er in den Jahren 1889-1890 und 1894 seine Studien an den Universitäten Wien und Berlin fort. In dieser Zeit veröffentlichte er mehrere Arbeiten zur Ethnogenese des rumänischen Volkes bzw. der Staatsgründung der Moldau und der Walachei, wie „Dragoş şi Bogdan , fondatorii principatului moldovenesc“ (Dragoş und Bogdan, die Gründer des moldauischen Fürstentums, 1884), „Teoria lui Roesler“ (Die Roesler-Theorie, 1885/86), eine Arbeit, in der er sich kritisch mit der Ansicht Robert Roeslers über die Herkunft und Ansiedlung der Rumänen auseinandersetzt (in deutscher Fassung unter dem Titel „Zur rumänischen Streitfrage“ 1887 erschienen) sowie „Radu Negru şi originile principatului Ţării Româneşti“ (Radu Negru und die Anfänge des Fürstentums der Walachei, 1890/92). Von 1896 bis zu seinem Tode war O. Inhaber des Lehrstuhls für Geschichte an der Bukarester Universität. Zusammen mit Nicolae Iorga und dem Slawisten Ioan Bogdan trug er wesentlich zur Gründung der rumänischen wissenschaftlich-kritischen historischen Schule bei. Als Generaldirektor des Rumänischen Staatsarchivs hat er darüber hinaus das rumänische Archivwesen nach modernen Methoden und Gesichtspunkten organisiert und Richtlinien für die Ausbildung der rumänischen Archivare festgelegt. Auch als Mitglied der Kommission für historische Denkmäler war es O. beschieden, Pionierleistungen zu vollbringen. Auf seine Initiative geht die methodische Erforschung vieler Denkmäler bzw. ihre Restaurierung zurück, wodurch viele vom Verfall bedrohte Einzelstücke gerettet werden konnten. O. gilt wegen seiner ausgedehnten Forschungsarbeit auf diesem Gebiet als einer der Begründer der rumänischen Mediävistik. Die Rumänische Akademie ehrte seine vielfältigen Leistungen und Verdienste durch seine Ernennung zu ihrem Mitglied (1905); von 1920 bis 1923 war O. dann ihr Präsident. O.s Gesamtwerk ist nicht sehr umfangreich, da er neben seiner Forschungstätigkeit auch auf zahlreichen Gebieten praktische Arbeit leistete. Wegen seiner Forschungsergebnisse auf dem Gebiet der rumänischen Nationswerdung galt O. schon zu Lebzeiten als einer der bedeutendsten Schöpfer der Kontinuitäts- und Romanitätstheorie, die nach wie vor als Hauptpfeiler des historischen Selbstverständnisses der Rumänen gelten. Ihm ist die Feststellung zu verdanken, daß es auf dem Gebiet des heutigen rumänischen Staates vom 9. bis 13. Jh. etliche politische Formationen gab, aus denen sich in der ersten Hälfte des 14. Jh.s die Donaufürstentümer entwickelten (Originile Principatelor Române [Die Gründung der rumänischen Fürstentümer, 1899]). O. hinterließ außerdem eine Gesamtdarstellung der rumänischen Geschichte (Epocele istoriei Române şi împărţirea ei, 1906), die seinerzeit große Verbreitung fand, sowie eine Anzahl gedruckter Vorlesungen, Abhandlungen und Arbeiten zur Geschichte der Bukowina. Im Gegensatz zu manch einem unter seinen renommierten Kollegen hat sich O. zeit seines Lebens nicht politisch engagiert. Bis zur Schaffung Großrumäniens im Dezember 1918 blieb er allerdings einer der führenden Köpfe der national-kulturellen Bewegung der Rumänen der Habsburgermonarchie und setzte sich als solcher für die Vereinigung der von Rumänen besiedelten Gebiete mit dem Mutterland ein. Seine historischen Schriften (Scrieri istorice) erschienen 1968 in 2 Bänden in Bukarest.

Literatur

Bălan, Teodor: Dimitrie Onciul, 1856-1923. Cernăuţi 1938.
Sacerdoţeanu, Aurelian: Concepţia şi metoda istorică a lui D. Onciul. In: Studii 16 (1963) 1237-1251.
Ştefănescu, Ştefan: Dimitrie Onciul. 40 ans depuis sa mort. In: Rev. roum. Hist. 3 (1964) 227-241.
Sacerdoţeanu, Aurelian: Viaţa şi opera lui Dimitrie Onciul. In: Onciul, Dimitrie: Scrieri istorice. Bd 1. Bucureşti 1968, 13-85.
Ders.: Comentarii. In: ebd. Bd 2. Bucureşti 1968, 369-454.

Verfasser

Teodor Pavel (GND: 123102154)

Empfohlene Zitierweise: Teodor Pavel, Onciul, Dimitrie, in: Biographisches Lexikon zur Geschichte Südosteuropas. Bd. 3. Hgg. Mathias Bernath / Felix von Schroeder. München 1979, S. 354-355 [Onlineausgabe]; URL: https://www.biolex.ios-regensburg.de/BioLexViewview.php?ID=1476, abgerufen am: 28.04.2024