Napoleon III. (Charles Louis N. Bonaparte), Kaiser der Franzosen 1852-1870, * Paris 20.04.1808, † Chislehurst (heute zu London) 09.01.1873, Sohn König Ludwig Bonapartes von Holland, eines Bruders Napoleons I., und der Hortense de Beauharnais, einer Stieftochter Napoleons I.; verheiratet ab 1853 mit Eugénie von Montijo.
Leben
Da N. seine Kaiserwürde durch ein Plebiszit (21./22.11.1852) erlangt hatte, wurde er von den europäischen Monarchen, besonders von den konservativen Ostmächten Rußland, Österreich und Preußen, nicht als ebenbürtig anerkannt. Das Streben von N.s Außenpolitik war deshalb in den ersten Jahren seiner Herrschaft darauf gerichtet, diese fehlende Anerkennung zu erlangen und Frankreich wieder eine führende Rolle in der europäischen Politik zu verschaffen. Eine Gelegenheit dafür bot sich, als Zar Nikolaus I. von Rußland 1853 leichtfertig einen Krieg mit der Türkei vom Zaune brach, der die Orientalische Frage im russischen Sinne lösen sollte, - den Krimkrieg. Ausschlaggebend für den französischen Kriegseintritt war nicht so sehr die Frage des Protektorats über die Hl. Stätten, das durch Rußlands Ambitionien gefährdet wurde, als vielmehr die Tatsache, daß dadurch das Bündnis mit England, also jener Macht, deren Feindschaft das endgültige Scheitern Napoleons I. zuzuschreiben war, zustandekam. Der Krieg endete mit einem Sieg der modernen französischen Militärmacht und mit einem vollen Erfolg der Diplomatie N.s, der in den Pariser Friedensverhandlungen (25.02. - 30.03.1856) als „arbiter mundi“ auftrat und Rußland gegenüber den allzu harten englischen Forderungen unterstützte. Der Friede von Paris hatte das Prestige N.s und Frankreichs derart gefestigt, daß sich auch in den kleinen südosteuropäischen Staaten „französische“ Parteien bildeten. N., der Europa nach dem Nationalitätenprinzip geordnet wissen wollte, unterstützte die Bestrebungen der Balkanvölker nach Unabhängigkeit und Selbstbestimmung. Serbien hatte sich bereits 1852 von der bisherigen Schutzmacht Rußland freigemacht: Ilija Garašanin als neuer Premier- und Außenminister sah in einem profranzösischen Kurs die einzige Möglichkeit, Serbien vom übermächtigen russischen und österreichischen Einfluß frei zu halten. Der diplomatischen Unterstützung N.s war es zu verdanken, daß 1862 die Zahl der türkisch besetzten Festungen in Serbien auf vier beschränkt wurde. Franzosen waren es auch, die in den 60er Jahren die serbische Armee reorganisierten. Daß Serbien trotzdem nicht viel mehr als ein Ball im Spiel der französischen Interessen war, zeigte sich 1863: Am 21. Februar 1863 entwarf die Kaiserin Eugénie im Gespräch mit dem österreichischen Botschafter Fürst Richard Metternich sicherlich nicht ohne Einverständnis N.s den Plan, Österreich sollte Venetien an Italien abtreten und dafür Serbien und einen Teil der Europäischen Türkei annektieren. N. schwebte dabei eine Allianz mit Österreich vor, der Serbien und Rumänien geopfert werden sollten. Dabei war es gerade N. gewesen, der maßgeblich zur Entstehung des rumänischen Staates beigetragen hatte. Auf der Konferenz von Wien (März-Juni 1855) war es der französische Botschafter Graf François-Adolphe Bourqueney, der das erste Mal öffentlich für eine Union der Donaufürstentümer - als Bollwerk gegen Rußland - eintrat. Nach dem Pariser Frieden wurde N. in seinen Bemühungen, die Donaufürstentümer unter einem ausländischen Fürsten zu vereinigen, von Rußland, Preußen und Sardinien unterstützt, während Österreich und England zusammen mit der Pforte die Gegenpartei bildeten. Am 4. August 1857 brachen Frankreich und seine Bundesgenossen wegen Wahlfälschungen in der Moldau sogar die diplomatischen Beziehungen zur Türkei ab. Die Doppelwahl des Alexandru Ioan Cuza am 17. Januar/5. Februar 1859, die von Frankreich und Rußland sofort anerkannt wurde, machte dem diplomatischen Streit ein vorläufiges Ende. Die Beziehungen N.s zu Cuza blieben indes trotz aller Freundschaftsbeteuerungen nicht ohne Spannungen, und der französische Kaiser rührte auch keinen Finger, als Cuza am 23. Februar 1866 zur Abdankung gezwungen wurde. Am 22. Mai 1866 kam mit aktiver Unterstützung N.s Karl von Hohenzollern-Sigmaringen als Fürst von „Rumänien“, wie die vereinigten Donaufürstentümer nunmehr hießen, an die Regierung. Ähnlich wie Serbien und Rumänien erfuhren auch andere Balkanstaaten von N. zeitweise Unterstützung: Der montenegrinische Fürst Danilo I. wurde 1857 vom Kaiser in Paris mit königlichen Ehren empfangen; 1858 war es N., der eine internationale Flottendemonstration in ragusanischen Gewässern veranlaßte und dadurch die Pforte zur Anerkennung der neuen montenegrinischen Grenze zwang, die das Staatsgebiet Montenegros bedeutend erweiterte. In Griechenland unterstützte N. nach der Abdankung König Ottos (1862) die Kandidatur des dänischen Prinzen Wilhelm (Georg I.) und stellte den Griechen auch den Erwerb des noch türkischen Thessalien in Aussicht, zu dem es jedoch erst 1881 kommen sollte. N. unterhielt auch Kontakte zu ungarischen Emigranten und empfing im April 1859 Lajos Kossuth zu Gesprächen über eine antiösterreichische Koalition. Trotz aller dieser Aktivitäten war N.s Balkanpolitik überaus zwiespältig. Sein zur Schau getragenes Interesse an der Erhaltung der Integrität des Osmanischen Reiches ließ sich kaum mit der Förderung der Bestrebungen der Balkanstaaten nach Unabhängigkeit bzw. Machterweiterung vereinbaren. Die Unterstützung der Balkanländer war zudem nicht so uneigennützig, wie ausgegeben, hinter ihr stand das Bemühen, die im Krimkrieg gewonnene Vormachtstellung Frankreichs in Kontinentaleuropa zu bewahren; die südosteuropäischen Staaten waren dabei nicht viel mehr als Figuren auf dem Schachbrett der französischen Interessenpolitik.
Literatur
Popović, Vasilj: Politika Francuske i Austrije na Balkanu u vreme Napoleona III. Beograd, Zemun 1925.
Bratianu, Gheorghe I.: Napoléon III et les nationalités. Paris, Bucureşti 1934.
Mange, Alyce Edythe: The Near Eastern Policy of the Emperor Napoleon III. Urbana, Illinois 1940.
Hallberg, Charles William: Franz Joseph and Napoleon III, 1852- 1864. New York 1955.
Napoleon III et l’Europe. Bruxelles, Paris 1966.
Baumgart, Winfried: Der Friede von Paris 1856. München, Wien 1972.
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