Kösem Sultan

GND: 1017515999

Kösem Sultan (auch Mâh-Peyker Sultan genannt), * 1589 (?) (1592?), † Istanbul 02.09.1651, Lieblingsfrau Ahmeds I., Mutter Murads IV. und Ibrahims.

Leben

Nur wenige Frauen haben in der osmanischen Geschichte eine bedeutende politische Rolle gespielt. Nach Unmittelbarkeit und Dauer der Machtausübung steht K. an ihrer Spitze. Sie soll griechischer bzw. bosnischer Herkunft gewesen sein, verläßliche Aussagen fehlen, wie über die meisten Bewohnerinnen des großherrlichen Harems. Jedenfalls gewann das muntere, kluge und anziehende Mädchen die Gunst Ahmeds I., dem sie vier Söhne und zwei Töchter gebar. Schon zu dieser Zeit sind erste Einflußnahmen spürbar. Beim Tode Ahmeds I. (1617) unterstützte sie die Thronfolge von dessen Bruder Mustafa, um einen - dem Herkommen zuwiderlaufenden - Präzedenzfall für eine künftige Thronanwartschaft ihrer Söhne zu schaffen, die jünger waren als Ahmeds ältester Sohn Osman. Während der Regierungszeit Mustafas I. (1617-1618, 1622-1623) und Osmans (1618-1622) lebte sie, wie üblich, im Alten Serail. Ihre Verbindungen zum Sultanspalast rissen jedoch nicht ab. In den Monaten der zweiten Herrschaft Mustafas I. betrieb sie die Nachfolge ihres Sohnes Murad (IV.). Seine Thronbesteigung (1623) brachte sie zurück in den Sultanspalast, wo sie als Sultansmutter (valide sultan) nun die Spitzenposition in der strengen Rangordnung des Harems einnahm. Die folgenden Jahre herrschte sie für ihren jugendlichen Sohn, bis dieser 1632 selbst die Zügel ergriff; doch auch danach schätzte Mur ad den Rat der Mutter, die besonders während seiner Abwesenheit aufmerksam die Szene in Istanbul überwachte. Neue Macht erlangte K. in der Regierungszeit ihres zweiten Sohnes, des geistesschwachen Ibrahim. Er war der letzte männliche Osmane. Sie besorgte ihm unermüdlich schöne Gespielinnen; so war er beschäftigt und die Dynastie bald gerettet. Die wachsende Zahl konkurrierender Prinzenmütter und Günstlinge gewann jedoch immer mehr Einfluß auf Ibrahim, sein heftiges, widersprüchliches, selbstherrliches Hineinregieren vergrößerte deren egoistisches Intrigengeflecht zur Staatskrise. K., die sich aus dem Serail zurückgezogen hatte, wurde, wohl weil sie mit Absetzungsplänen gespielt hatte, von ihrem großherrlichen Sohne nach Florya verbannt. Die führenden Männer des Staates, die schließlich dem Treiben Ibrahims ein Ende zu bereiten entschlossen waren, wollten nicht ohne ihre Zustimmung handeln. Sie selbst holte ihren Enkel Mehmed (IV.) zur Huldigung aus dem Harem (1648). K.s Einsicht und Willensstärke war auch der schrecklichen Entscheidung gewachsen, der Tötung des Sohnes nicht entgegenzuwirken, als die Anhänger des Eingekerkerten sich gefährlich zu rühren begannen. Wider den Brauch blieb sie neben der neuen Sultansmutter Turban im Serail und bestimmte die ersten Regierungsjahre Mehmeds IV., eines sechsjährigen Knaben. Doch seine Mutter wurde ihr zur Rivalin. Während K. die Janitscha- ren für sich gewann, zog Turban die wichtigsten Männer des Hofes auf ihre Seite. Der Zwist der Frauen lähmte den Staat in einer ohnedies verzweifelten inneren und äußeren Situation. Jahrelange Kämpfe gegen Persien (1623-1639) und Venedig (ab 1645), Einfälle der Kosaken, Aufstände, Unruhen und Unbotmäßigkeiten mit einschneidenden Folgen für die Staatskasse hatten zu einer hohen Steuerbelastung und verbreiteten Unzufriedenheit geführt. Die Zünfte schlossen die Läden, forderten Steuererleichterungen und die Hinrichtung der Agas. K. plante Mehmed IV. zu stürzen und zu töten, um die Rivalin auszuschalten. Der Plan wurde verraten. Turban und ihre Partei kamen K. zuvor: Im Versteck aufgestöbert wurde sie mit einer Vorhangschnur erdrosselt.

Literatur

Baysun, M. Cavid: Kösem Sultan. In: Islâm Ansiklopedisi. Bd 6. Istanbul 1955, 915-923.
Caskel, Werner: Schenkungsurkunde Sultan Ibrahims für die Valide Mahpeyker Sultan (Kösem) von 1049/1640. In: Documenta Islamica Inedita. Berlin 1952, 251-262.
Uluçay, Çağatay: Harem II. Ankara 1971.

Verfasser

Hans Georg Majer (GND: 129740098)

Empfohlene Zitierweise: Hans Georg Majer, Kösem Sultan, in: Biographisches Lexikon zur Geschichte Südosteuropas. Bd. 2. Hgg. Mathias Bernath / Felix von Schroeder. München 1976, S. 489-490 [Onlineausgabe]; URL: https://www.biolex.ios-regensburg.de/BioLexViewview.php?ID=1187, abgerufen am: 19.04.2024