Johann Baptist

GND: 118557750

Johann Baptist Joseph Fabian Sebastian, Erzherzog von Österreich, * Florenz 20.1. 1782, † Graz 11.05.1859, Sohn Kaiser Leopolds II. und Bruder Kaiser Franz II. (I.).

Leben

 Unter dem geistigen Einfluß seines Lehrmeisters, des Schweizer Historikers Johannes von Müller, verband J. die josephinischen Fortschritts-, Bildungs- und Toleranzideen, das Interesse für die wissenschaftlich-technischen Erfindungen und die Begeisterung für die romantisch-nationalen Strömungen seiner Zeit zu einer fruchtbaren Synthese, die seiner kulturellen Tätigkeit ihr charakteristisches Gepräge verlieh. Seinem Bruder Karl verdankte J. 1801 das Amt des Generaldirektors für das österreichische Fortifikations- und Geniewesen, das er bis 1849 innehatte und in dem er erstmals - im Gegensatz zu seiner früheren Verwendung als Heerführer - seine Persönlichkeit zur Entfaltung bringen konnte. In seinen beiden Grundgedanken lieferte J. einen entscheidenden Beitrag zur Neugestaltung der österreichischen Landesverteidigung: nämlich die Selbstverteidigung der wehrhaften Bevölkerung, sein „System der Landwehren“, das J. 1808 für Salzburg und Innerösterreich verwirklichte, sowie das Konzept der drei Zitadellen als Verteidigungszentren der Monarchie: die Alpenfestung, Böhmen und Siebenbürgen, mit den Karpaten und der Donau als Verbindungslinien, für die er umfangreiche Befestigungspläne ausarbeiten ließ; hervorzuheben sind hier namentlich die Festungsbauten (und Restaurationen) Komorn und Olmütz (1839 bis 1848), Gradiška, Triest, Pirano, Pola, Žara, Knin, Spalato, Ragusa, Cattaro, Brod, Rača, Peterwardein, Temeschwar, Arad und Karlstadt. Seine große Volkstümlichkeit hat es bei dem Mißtrauen des Wiener Hofes verhindert, daß sein Wunsch nach einem festen amtlichen Wirkungskreis trotz wiederholter Bemühungen in Erfüllung ging. Sein Tagebuch enthüllt seine Sorge um das Schicksal der Monarchie und seine Kritik an ihren Zuständen, denen er das Ziel einer föderativen und liberalen Neuordnung des Gesamtstaates, gegründet auf die freie Verantwortung und Mitarbeit seiner Bürger, gegenüberstellte. Waren seinen Reformplänen auf staatspolitischer Ebene zum Teil auch aus eigenem Verschulden, nämlich seinem Mangel an Durchschlagskraft gegenüber den Wiener Hofparteien kein Erfolg beschieden, so sollten sie sich im kleineren, innerösterreichischen Bereich um so fruchtbarer erweisen. Neben der Reformtätigkeit J.s im Bereich der Landwirtschaft, der Montanindustrie, des Gewerbes, des Verkehrs (die Eisenbahnlinie Wien-Triest über den Semmering und Graz wurde auf Betreiben J.s gebaut) und des Handels, gerade des Exporthandels nach dem Orient (den J. durch seine engen Verbindungen mit dem Grafen Prokesch-Osten und dem Freiherrn von Hdmmer-Purgstall sowie durch seine Orientreise 1837 besonders förderte), gewann vornehmlich seine Kulturpolitik für Südosteuropa eine bisher meist übersehene, aber kaum zu überschätzende Bedeutung. Unter dem Einfluß des von ihm 1811 in Graz gegründeten „Joanneums“ (Steiermärkischen Nationalmuseums), der wissenschaftlichen Keimzelle aller Reformbestrebungen, entwickelte sich Graz zum eigentlichen kulturellen Zentrum der südöstlichen Kronländer für das neue, nun überall aufblühende Interesse an der Pflege der Muttersprache, an dem Druck und der Verbreitung von Handbüchern für Schule, religiöse Belehrung und handwerklichgewerbliche Bildung, an der Sammlung von Volksliedern, an dem Studium der heimischen Geschichte (Gründung des „Innerösterreichischen GeschichtsVereins“ durch J. 1843). Der von J. ausgehende Enthusiasmus für die nationale Kulturarbeit in dem von ihm begründeten, stets auf Integration aller Volksteile bedachten Stil hat sehr rasch bei der südslawischen, sich in Graz sammelnden jungen Intelligenz begeisterte Nachfolge gefunden. Der 1812 ins Leben gerufene Lehrstuhl für slowenische Sprache machte Graz zu deren Pflegezentrum und brachte in seinem Gefolge bedeutsame Gründungen von slowenischen und südslawischen Kulturvereinen (1827 der „Illyrische Klub“, 1838 der „Slawische Verein“), die die institutioneilen wie gesellschaftlichen Voraussetzungen für die geistige Ausstrahlung tief in den Raum der Balkanhalbinsel hinein bildeten. Graz gestaltete sich unter der unermüdlichen Förderung J.s in den - so entscheidenden dreißiger Jahren zum Sitz der slowenischen und kroatischen romantisch-nationalen Erneuerungs- und kulturellen Aufbaubewegung; hier erwarben Männer wie Mojsije Baltic, Dimitrije Demeter, Ljudevit Gaj, Franz von Miklosich, Božidar Petranovic, Stanko Vraz ihre Grundkenntnisse und -Überzeugungen. Im Revolutionsjahr 1848 fiel J. als dem im Volk populärsten Vertreter des Kaiserhauses wiederholt eine Schlüsselstellung zu. Als Vertreter des in Innsbruck verbliebenen Kaisers eröffnete er am 22. Juli 1848 in Wien das erste Parlament der Donaumonarchie, in dem beinahe alle ihre Völker vertreten waren, den österreichischen Reichstag, stellte die Ruhe im öffentlichen Leben wieder her und ermöglichte so Anfang August die Rückkehr des Kaisers. Die vom ungarischen Ministerium in Pest am 10. Juni vorgeschlagene Aufklärungsmission J.s zu den Kroaten hat der Erzherzog geschickt in eine Vermittlerrolle zwischen Ungarn und Kroatien umgewandelt. Hatte J. bereits im März die Ernennung von Jelačič zum Banus von Kroatien am Wiener Hof durchgesetzt, so unterstützte er nun als Vermittler die gesamtstaatlichen Pläne des Banus und entschied sein weiteres Verbleiben in seinem Amte, obwohl Jelačič nach Intervention des ungarischen Ministerpräsidenten Grafen Batthyány bereits am 10. Juni vom Kaiser suspendiert worden war. J. hat somit durch sein Eingreifen den drohenden Abfall Kroatiens von der Dynastie und damit auch den Zerfall der auf die kroatischen Grenzer angewiesenen Armee Radetzkys verhindert. Auf diesen freilich wichtigen Punkt ist die Vermittlertätigkeit J.s beschränkt geblieben, die ihren eigentlichen Zielsetzungen nach als gescheitert betrachtet werden muß. Verschiedene Rücksichtnahmen - auf die ungarische Regierung, auf das in den deutschen Erbländern um sich greifende deutsche Nationalgefühl und schließlich auch auf die prinzipielle Unentschlossenheit des kaiserlichen Hofes - machten J. eine klare Stellungnahme unmöglich. Zudem richtete seine Wahl zum deutschen Reichsverweser seine Aufmerksamkeit immer mehr nach Frankfurt. Auch J. konnte den nach seinem Weggang nach Frankfurt offen ausbrechenden Kampf zwischen Ungarn und Kroatien nicht verhindern, wohl aber eine Frontstellung der Kroaten gegen Habsburg. Durch sein besonnenes Auftreten in überaus kritischen Phasen im Hinblick auf 1848 der Revolution hat J. im Jahre 1848 wesentlich dazu beigetragen, daß die drohende Gefahr eines Zerfalls der Monarchie gebannt werden konnte.

Literatur

Hegenbarth, Hans: Bibliographie der Erzherzog-Johann-Literatur. In: Steirische Berichte zur Volksbildung und Kulturarbeit 2 (1958) 47-48.
Theiss, Viktor: Leben und Wirken Erzherzog Johanns. Bd 1, Lfg. 1. 2. Graz 1960/63.
Popelka, Fritz: Erzherzog Johann von Österreich. In: Hantsch, Hugo (Hrsg.): Gestalter der Geschicke Österreichs. Innsbruck, Wien, München 1962, 343-358.
Matl, Josef: Leistung und Bedeutung Erzherzog Johanns für den national-kulturellen Fortschritt der Slowenen und Kroaten. In: Südost-Forsch. 22 (1963) 356-376.
Sutter, Berthold: Erzherzog Johanns Kritik an Österreich. In: Mitt. österr. Staatsarch. 16 (1963) 165-215.
Hauptmann, Ferdinand: Erzherzog Johann als Vermittler zwischen Kroatien und Ungarn im Jahre 1848. Graz 1972. = Zur Kunde Südosteuropas. II/l.
Ableitinger, Alfred: Erzherzog Johann und Wessenberg 1848. In: Zeitschrift des Historischen Vereines für Steiermark 65 (1974) 161-189.

Verfasser

Gerhard Seewann (GND: 1069961280)

Empfohlene Zitierweise: Gerhard Seewann, Johann Baptist, in: Biographisches Lexikon zur Geschichte Südosteuropas. Bd. 2. Hgg. Mathias Bernath / Felix von Schroeder. München 1976, S. 274-276 [Onlineausgabe]; URL: https://www.biolex.ios-regensburg.de/BioLexViewview.php?ID=1041, abgerufen am: 18.04.2024