Biographisches Lexikon zur Geschichte Südosteuropas

Konstantin I. von Schleswig-Holstein-Sonderburg-Glücksburg
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Konstantin I. von Schleswig-Holstein-Sonderburg-Glücksburg

Konstantin I. (Konstantinos) von Schleswig-Holstein-Sonderburg-Glücksburg (verfassungswidrig: Herzog von Sparta), König der Griechen 1913-1917, 1920-1922, * Athen 2.08.1868, † Palermo 11.1. 1923, überführt nach Dekeleia 22.11.1936, ältester Sohn und Nachfolger von Georg I. und der russischen Großfürstin Olga, Vater der Könige Alexander (1917-1920), Georg II. (1922-1924, 1935-1947) und Paul (1947-1964), ab 1889 verheiratet mit Sophia von Hohenzollern, der Schwester Kaiser Wilhelms II.

Leben

 Nach der allgemeinen Enttäusdtung über die Kinderlosigkeit König Ottos nahm die Öffentlichkeit die Geburt des Thronfolgers mit Begeisterung auf, zumal sein programmatischer Taufname K. als Symbol für das byzantinische Erbe und die „Große Idee“ der Wiedererrichtung eines großgriechischen Staates galt. Nach sorgfältiger Erziehung und der Ausbildung in der Athener Offiziersschule studierte K. in Leipzig und Heidelberg Staatswissenschaften, diente in der Berliner Garde, dann im griechischen Heer, dem fortan sein besonderes Interesse galt. Nach der Niederlage gegen die Osmanen 1897 war er als Chef des Generalkommandos Thessalien herber, in der Sache nur teilweise berechtigter Kritik der ernüchterten Öffentlichkeit ausgesetzt, die selbst im Überschwang nationaler Emotionen der Krone den Waffengang aufgenötigt hatte. Seine unbestreitbaren Verdienste um die Reorganisation der Landstreitkräfte als Chef des Allgemeinen Heereskommandos ab 1900 minderte er durch die Begünstigung einer kleinen Offiziersclique. Trotz der von den 1909 rebellierenden Offizieren erzwungenen Entlassung der Prinzen aus dem aktiven Militärdienst ernannte ihn Elejtherios Venizelos 1911 zum Generalinspekteur des Heeres. In den Balkankriegen 1912/13 trug er als Oberkommandierender der Heeresgruppe Mazedonien bzw. Mazedonien und Epirus maßgeblich zum Sieg zunächst über die Türken, dann über die Bulgaren bei und konnte mit einem von keinem anderen griechischen König erreichten Popularitätsvorschuß die Nachfolge seines Vaters antreten (21.03.1913). Jedoch maditen nach Ausbruch des Ersten Weltkriegs seine schon früher hervorgetretenen Eigenschaften und Auffassungen den sdiwersten Verfassungskonflikt der griechischen Geschidite unausweichlich. Einerseits beanspruchte der 1912/13 in seinem Selbstbewußtsein gestärkte, von Wilhelm II. 1913 und von Venizelos 1914 mit dem Marschallstab ausgezeichnete K., militärische und zunehmend auch politische Fragen persönlich zu entscheiden, andererseits unterlag er immer mehr dem Einfluß vertrauter Ratgeber außerhalb der verantwortlichen Regierungen (Georgios Streit, Ioannis Me-taxas, Viktor Dusmanis, Xenofon Stratigos) sowie seiner im Weltkrieg die deutschen Interessen massiv zur Geltung bringenden Gemahlin Sophia.  Zudem verstärkte K.s Bewunderung für Wilhelm II. und das Regierungssystem des Reiches seine Neigung, Amt und politische Entscheidungen gegen das von der Parlamentsmehrheit getragene Kabinett in wachsender Spannung zu Buchstaben und Geist der Konstitution mit dem Hinweis auf seine besondere Verantwortung vor Gott zu legitimieren. Seine hohe Meinung vom deutsdien Militär förderte eine gewisse Distanz zum Westen und ließ ihn bis Ende 1916 an einen sicheren Sieg Deutschlands, dann an ein Patt der Groß- mädite glauben. Obwohl er selbst 1914 durdi Venizelos erfolglos den Kriegseintritt an der Seite der Entente hatte anbieten und sich von der Aussicht auf Gebietszuwachs im historischen Raum von Byzanz vorübergehend hatte mitreißen lassen, rückte er seit 1915 von den Zusagen wieder ab, zuerst, weil die gewünschten Bedingungen nicht erreichbar waren, dann aber, um Griechenland ganz aus dem europäischen Konflikt herauszuhalten. An seinen patriotischen Motiven erlauben auch neuere Aktenstudien keinen Zweifel. Doch ließ sich sein der Überlegenheit der Entente im Mittelmeerraum wie dem antizipierten Sieg Deutschlands in Zentraleuropa Rechnung tragendes Programm einer gegenüber Serbien und der Entente wohlwollenden Neutralität innenpolitisch nur um den Preis verfassungsrechtlich umstrittener Praktiken (neuerliche Ablehnung der Regierungspolitik im Herbst 1915, erzwungener Rücktritt des Kabinetts Venizelos am 5. Oktober 1915, zweite Parlamentsauflösung, im Gegenzug Wahlboykott der Liberalen) sowie der rapiden Aushöhlung von Verfassung und Rechtsstaat, letztlich der Spaltung der Nation („dhichasmos“) in zwei einander brutal verfolgende Lager erkaufen. Außenpolitisch diskreditierte K. das Land vor allem durch die im engeren Kreis schon bei Vertragsabschluß 1913 angekündigte Mißachtung der Allianz mit Serbien und durch die Politik rückhaltlosen Nachgebens vor den Forderungen der Mittelmächte wie der Entente, die sich trotz wachsender Bedenken in London in immer rüderen Pressionen überboten, um Griechenland gefügig zu machen.
 Nach der Etablierung der Gegenregierung Venizelos in Thessaloniki (Oktober 1916) setzte Frankreich die Einwilligung des K. und des Thronfolgers Georg (II.) zur Abreise aus Griechenland durch (11.06.1917), wo Alexander ohne Thronverzicht des Vaters die Nachfolge antrat. Sein Tod kurz vor der Wahlniederlage der nunmehr nach Athen übersiedelten liberalen Regierung (14.11.1920) gab den legitimistischen Parteien die Möglichkeit, K. in einem Plebiszit (5. XII. ) als rechtmäßigen König bestätigen zu lassen. Seine Rückkehr (19. XII.) zerstörte aber jede Hoffnung auf weitere wirksame Unterstützung Griechenlands durch Großbritannien und Frankreich im Kampf gegen Kemal Atatiirk zur Sicherung der im Vertrag von Sèvres (10.08.1920) zugesicherten Erwerbungen sowie der Autonomie Smyrnas (Izmirs) und des westkleinasiatischen Hinterlandes mit dem Recht auf späteren Anschluß an das Königreich. Auch das persönliche Erscheinen K.s an der Front (Juni 1921) konnte den Zusammenbruch des überforderten Heeres nicht abwenden. Sein chronisches Nierenleiden hatte im übrigen seine Energien verbraucht. Ein von Nikolaos Plastiras und Stilianos Go-natas geführter Militärputsch zwang K. am 27. September 1922 zur Abdankung zugunsten seines Sohnes Georg II.

Literatur

Driault, Édouard: Le roi Constantin. Versailles 1930.
Ventiris, Georgios: I Ellas tu 1910-1920. 2 Bde. Athen 1931 (Reprint 1972).
Markezinis, Spiros V.: Politiki istoria tis neoteras Ellados. Bd 3-4. Athen 1966-1968.
Theodoulou, Christos: Greece and the Entente. Thessaloniki 1971. = Institute for Balkan Studies. 129.

Verfasser

Gunnar Hering (GND: 1078119694)

GND: 142039012

Weiterführende Information (Deutsche Biographie): https://www.deutsche-biographie.de/pnd142039012.html


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Empfohlene Zitierweise: Gunnar Hering, Konstantin I. von Schleswig-Holstein-Sonderburg-Glücksburg, in: Biographisches Lexikon zur Geschichte Südosteuropas. Bd. 2. Hgg. Mathias Bernath / Felix von Schroeder. München 1976, S. 463-465 [Onlineausgabe]; URL: https://www.biolex.ios-regensburg.de/BioLexViewview.php?ID=1171, abgerufen am: (Abrufdatum)

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