Biographisches Lexikon zur Geschichte Südosteuropas

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Geringer, Karl Gabriel Freiherr von Oedenberg

Geringer, Karl Gabriel Freiherr von Oedenberg, kaiserlicher Kommissar und k. k. Wirklicher Geheimer und Staatsrat, * Hermannstadt 2.03.1806, † Heeresdorf (Galac, Galaţii Bistriţei) 24.09.1889; Sohn von Gabriel G., der als erfolgreicher kaiserlicher Offizier und Ritter des Maria Theresien-Ordens 1802 den österreichischen und 1808 - nach seiner Heirat (1803) mit Sophie Freiin von Brukenthal - den ungarischen Freiherrnstand erworben hatte. 1825, kurz vor seinem Tod, erhielt der Vater als General seine Einberufung in die Magnatentafel des ungarischen Landtages.

Leben

Nach Vollendung seiner rechts- und staatswissenschaftlichen Studien an der Universität Wien trat G. im Jahre 1829 in den österreichischen Staatsdienst ein und war bereits seit 1831 in der allgemeinen Hofkammer zu Wien mit ungarischen Angelegenheiten beschäftigt. Im Jahre 1843 bereiste G. im Auftrag der Hofkammer die Provinzen diesseits und jenseits der gemeinsamen Grenzen der Monarchie mit den zum Osmanischen Reich gehörenden Balkanländern zum Studium der dortigen Handels- und Verkehrsverhältnisse. Die von ihm zur Belebung des österreichischen Handels mit der Türkei vorgeschlagene Errichtung eines österreichischen Generalkonsulates in Istanbul wurde 1846 ihm selbst übertragen und seiner ersten Leitung anvertraut. Nach einer wiederum handelspolitischen Mission im Jahre 1848 in Frankfurt am Main war G. im Dezember desselben Jahres für das Amt eines kaiserlichen Kommissars für Siebenbürgen ausersehen, ein Plan, den die Revolution zunichte machte.
Interimsweise im Innenministerium mit der Erledigung ungarisch-siebenbürgischer Angelegenheiten betraut, ernannte Kaiser Franz Joseph I. G. auf Vorschlag des Innenministers Alexander Freiherr von Bach am 4. Juni 1849 zum „bevollmächtigten kaiserlichen Kommissär für die Zivilverwaltung in Ungarn“. Seine Vertrautheit mit den Landesverhältnissen und Landessprachen, seine politisch und gesellschaftlich unabhängige Stellung über den Parteien und Gruppen im Lande, nicht zuletzt aber die unbedingte Treue des deutsch fühlenden Magnaten zur Regierung und Dynastie gaben den Ausschlag für die Betrauung G.s mit dieser überaus heiklen Aufgabe. Galt es doch, den sich starrsinnig jeder ministeriellen Lenkung widersetzenden militärischen Oberbefehlshaber, Feldzeugmeister Julius Freiherrn von Haynau daran zu hindern, ob seiner gefürchteten Eigenmächtigkeiten ein gefährliches Hemmnis für den von der Regierung geplanten und betriebenen Einbau Ungarns in das Gesamtreich zu werden. G. unterstand direkt dem Innenminister Bach, dessen Instruktionen er als Leiter der laufenden Zivilverwaltung in Ungarn auszuführen hatte, war aber gleichzeitig in allen wichtigeren Gegenständen an das Einverständnis mit Haynau gebunden. Trotz dieser Belastung, die zu vielen gegenseitigen Reibereien und Behinderungen führen mußte, gelang es G., den gesamten zivilen Verwaltungsapparat Ungarns neu aufzubauen und in einen geregelten Gang zu bringen und damit seinen Auftrag zur vollen Zufriedenheit der Wiener Regierung auszuführen. Diese Reorganisation der Staatsverwaltung umfaßte die Neueinteilung des ungarischen Stammgebietes in fünf Verwaltungsbezirke (mit den Zentren Ödenburg, Preßburg, Kaschau, Großwardein und Pest-Ofen) sowie die Besetzung der vielfach neugeschaffenen Beamtenstellen in den höheren und mittleren Rängen zumeist mit verläßlichen und bewährten Staatsdienern aus den österreichischen Erbländern.
Nach dem Sturz des gegenüber der Regierung allzu selbstherrlich gewordenen Haynau wurde G. im November 1850 zum interimistischen Leiter der Statthalterei in Ungarn ernannt. Trotz seiner großen Tatkraft und seines emsigen Fleißes erwies es sich aber bald, daß auch seine Stellung in Ungarn unhaltbar geworden war. Weniger politische Gründe, denn G.s allzu sachlich-nüchterne, ganz der Beamtentätigkeit hingegebene Persönlichkeit bestimmten diese Entwicklung. Sein bescheidenes, allzu glanzloses und gesellschaftlich lächerlich erscheinendes Auftreten, das ihm im Volk den Spitznamen des „Palatins zu Fuß“ eingebracht hatte, bedeutete eine Einbuße an Autorität, die mit seiner Stellung als Repräsentant der Regierung und des Königs auf die Dauer unvereinbar wurde. Dem im Herbst 1851 daraufhin ernannten neuen Zivil- und Militärgouverneur, Erzherzog Albrecht, diente G. einige Zeit noch als Adlatus für die Zivilverwaltung. 1852 erreichte G. die von ihm überaus ersehnte Rückberufung nach Wien, wo er als Sektionschef im Innenministerium die ungarischen Angelegenheiten weiter bearbeitete, bis er 1853 zum Stellvertreter des Handelsministers und 1855 schließlich zum Mitglied des Reichsrates ernannt wurde. Diesem gehörte G. auch nach seiner Umgestaltung zum Staatsrat bis zu dessen Auflösung im Sommer 1868 an, worauf er mit seiner mit verschiedenen Auszeichnungen begleiteten Versetzung in den Ruhestand aus dem öffentlichen Leben schied.

Literatur

Friedenfels, Eugen von: Carl Freiherr von Geringer. In: Ders.: Joseph Bedeus von Scharberg. Beiträge zur Zeitgeschichte Siebenbürgens im 19. Jahrhundert. Bd 2. Wien 1877, 465-468.
Friedjung, Heinrich: Österreich von 1848 bis 1860. Bd 1. Stuttgart, Berlin 1908.
Walter, Friedrich: Von Windischgrätz über Weiden zu Haynau. In: Walter, Friedrich u. Harold Steinacker: Die Nationalitätenfrage im alten Ungarn und die Südostpolitik Wiens. München 1959, 68-161. = Buchreihe der Südostdeutschen Historischen Kommission. 3.

Verfasser

Gerhard Seewann (GND: 1069961280)

GND: 116572590

Weiterführende Information (Deutsche Biographie): https://www.deutsche-biographie.de/pnd116572590.html


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Empfohlene Zitierweise: Gerhard Seewann, Geringer, Karl Gabriel Freiherr von Oedenberg, in: Biographisches Lexikon zur Geschichte Südosteuropas. Bd. 2. Hgg. Mathias Bernath / Felix von Schroeder. München 1976, S. 36-38 [Onlineausgabe]; URL: https://www.biolex.ios-regensburg.de/BioLexViewview.php?ID=868, abgerufen am: (Abrufdatum)

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