Brătianu, Vintilă I. C. [Abkürzung der Vornamen von Vater und Großvater], rumänischer Staatsmann, * Florica 28.09.1867, † Bukarest 22.12.1930, dritter Sohn Ion C. B.s.
Leben
B. wurde Diplomingenieur an der „Ecole Centrale“ in Paris und arbeitete anfangs als Oberingenieur beim Bau der Donaubrücke bei Cernavoda. 1897-1899 war er Direktor der Tabakregie und der übrigen Staatsmonopole, 1901 Generalsekretär im Finanzministerium. 1903 wurde B. zum ersten Mal Abgeordneter und behielt sein Mandat auch in den folgenden Legislaturperioden. 1907 wurde er Oberbürgermeister von Bukarest, 1910 Direktor der Nationalbank. In den Kriegsjahren, vom 27. August 1916 bis 1. August 1917, wurde ihm das Kriegsministerium übertragen. Die Neuaufstellung der rumänischen Streitkräfte nach dem vorübergehenden Erfolg der Mittelmächte war B.s Verdienst. Er setzte auch eine gründlichere Ausbildung der Rekruten durch. So konnte die entscheidende Offensive bei Mărăşti gestartet werden.
In der Regierung seines ältesten Bruders Ion I. C. B. (19.01.1922 bis 30.03.1926), hatte B. als Finanzminister die Schlüsselstellung für die Schaffung der finanziellen Grundlage Großrumäniens. B.s Wirtschaftsplan entfaltete sich auf zwei Ebenen: er führte eine Steuerermäßigung durch bei gleichzeitiger Anhebung der Abgaben und der Einführung neuer Steuersätze (Februar 1923), und ergriff Maßnahmen für eine bessere wirtschaftliche Nutzung der Bodenschätze (Sommer 1924). Das Wirtschaftsprogramm sah auch eine intensivere Zusammenarbeit zwischen Staat und Privatinitiative vor.
B. wurde am 22. Juni 1927 erneut Finanzminister und übernahm nach dem Tode seines Bruders sowohl dessen Stelle als Ministerpräsident wie auch den Vorsitz in der „Liberalen Partei“. Innenpolitische Zwistigkeiten, teils von den neuangeschlossenen siebenbürgischen Provinzen heraufbeschworen, die sich benachteiligt fühlten, weil sie noch in keiner Regierung vertreten waren, teils durch die unaufhaltsame Steigerung der Lebensmittelkosten und die allgemeine Teuerung bedingt, vereitelten B.s Bestrebungen, mit ausländischen Kreditinstituten einen annehmbaren Finanzierungsplan zum Abschluß zu bringen.
Als Vorsitzender der „Liberalen Partei“ (1927-1930) reorganisierte B. deren Studienplan, hielt Vorträge und schrieb Abhandlungen in der von ihm gegründeten Zeitschrift „Democraţia“. Als Minister war er bestrebt, die Großgrundbesitzer und den bürgerlichen Mittelstand weitestgehend zu fördern und mit einem gut funktionierenden Beamtenapparat den Wohlstand zu heben, wobei er sowohl von kirchlicher als auch militärischer Seite volle Unterstützung bekam. Die „Liberale Partei“ hatte ihre eigene Bank (Banca Românească), besaß den Hauptanteil an den Aktien der Nationalbank und war der Hauptaktionär mehrerer industrieller Unternehmungen. Es war jedoch ein Fehler B.s, ausländisches Kapital abzulehnen und nach dem Motto „Durch uns selbst“ eine von der „Liberalen Partei“ und deren Bankinstitut kontrollierte nationale Industrie und Wirtschaft aufbauen zu wollen.
Obwohl ehrgeizig, strebsam, unbeugsam und kompromißlos, hatte B. nicht den Weitblick und den verbindlichen Charakter seines älteren Bruders Ion und blieb auf der Strecke eines engherzig aufgefaßten Nationalismus zum großen Nachteil sowohl der nationalen Wirtschaft als auch der eigenen Partei. Als Ehrenmitglied der „Rumänischen Akademie“ hinterließ er eine Reihe von Schriften und Abhandlungen, die er z. T. unter dem Pseudonym „Dela Cungra“ veröffentlicht hatte.