Biographisches Lexikon zur Geschichte Südosteuropas

Mustafa Pascha, Kara
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Mustafa Pascha, Kara

Mustafa Pascha, Kara (der Schwarze), osmanischer Großwesir 1676-1683, * Merzifon 1634/35, † (hingerichtet) Belgrad 25.12.1683, Sohn eines Spahi-Hauptmanns namens Oruç.

Leben

M.s Vater war mit Köprülü Mehmed Pascha befreundet, der den Jungen zusammen mit seinem Sohn Fâzıl Ahmed erziehen ließ. Sodann wurde M. Waffenträger (silihdâr). Von dieser Tätigkeit erhob ihn der Großwesir Köprülü Mehmed zum Vortragsmeister (telhîsçi), wobei M. die Aufgabe hatte, kurzgefaßte schriftliche Vorschläge des Großwesirs (telhîs) dem Sultan zuzustellen. Im Spätsommer 1658 wurde M. das Amt des zweiten Stallmeisters (küçük mirahor) übertragen. Im Jahr darauf wurde M. Großstatthalter (beylerbey) von Silistria. Bald darauf zum Wesir befördert, wurde er als Großstatthalter nach Diyarbakır versetzt. 1662 wurde er zum Großadmiral (kapudan-ı derya) bestellt; in dieser Eigenschaft wurde er im Frühjahr 1663 zum stellvertretenden Großwesir für die Hauptstadt (rikâp kaymmakâmı) bestimmt. Diese Funktion behielt M. bis zur Rückkehr des Großwesirs Fâzıl Ahmed Pascha aus dem Felde (Anfang 1666) bei. Danach wurde M. seines Amtes als Großadmiral enthoben, behielt jedoch seinen Rang als dritter Wesir. Als Fâzıl Ahmed im Mai des gleichen Jahres zum Feldzug nach Kreta aufbrach, wurde M. wieder mit seiner Vertretung betraut. 1672 bzw. 1674 nahm M. an den polnischen Feldzügen teil. Nach dem Tode Köprülü Fâzıl Ahmeds (03.11.1676) wurde nicht dessen Bruder Köprülü Mustafa, sondern M. zum Großwesir ernannt, da er mit Sultan Mehmed IV. viel Umgang gehabt und dessen Vertrauen gewonnen hatte. M.s Regierungszeit zeichnet sich durch wenig Positives aus. Dem seit rund einem Jahrhundert andauernden inneren Verfall, der Korruption, Geldnot, dem voranschreitenden Schwund der Macht der osmanischen Staatsspitze konnte der habgierige und tyrannische M. keinen Einhalt gebieten. Auch seine auswärtigen Maßnahmen hatten für das Osmanische Reich katastrophale Folgen. Es soll dabei nicht so sehr an den Krieg mit Rußland 1677-1681 gedacht werden, als vielmehr an die erfolglose Belagerung Wiens 1683. Der Krieg mit Moskau ergab sich zwangsläufig, da sich die Türkei gegen den Verlust eines Gebietes wehren mußte, das erst kurz zuvor Vasallenstaat des Osmanischen Reiches geworden war. Ende 1666 hatte nämlich Petro Dorošenko, der Hetman des unter polnischer Oberhoheit stehenden Westteils der zwischen Moskau und Polen zweigeteilten Ukraine, sich mit seinen Kosaken der Pforte unterstellt. Damit galt die rechtsufrige Ukraine nach osmanischem Staatsrecht, das auf dem islamischen religiösen Gesetz fußte, nicht mehr als „Feindesland“ (dârülharb), sondern als ein Land, das dem Islam gehörte (dârülislâm). Als Dorošenko im September 1676 in Čyhyryn von einer kosakisch-moskovitischen Armee belagert wurde, legte er jedoch sein Amt nieder. Zu seinem Nachfolger ernannten die Türken im Frühjahr 1677 Jurij Chmel’nyckyj, der im Sommer 1677 mit einer türkischen Armee in die Ukraine vorrückte. Der Krieg zwischen den Osmanen und Moskau dauerte bis 1681 und endete im Frieden von Bahçesaray (13.01.1681) mit einem Kompromiß: Der während der Kampfhandlungen entvölkerte mittlere und südliche Teil des Kiever Landes (Gebiet zwischen Bug und Dnjepr) wurde zum Niemandsland erklärt und durfte nicht mehr besiedelt und befestigt werden. Erheblich folgenschwerer fiel der Angriffskrieg gegen Österreich 1683 aus. Hatte es das Osmanenreich im Falle von Rußland mit einer erst im Aufstreben befindlichen Macht zu tun, so war Österreich ein in jeder Hinsicht ebenbürtiger Gegner. Und wie sollte es dem von inneren Krisen geplagten Osmanischen Reich Ende des 17. Jh.s gelingen, was nicht einmal der Ära Süleymans des Prächtigen gegönnt war, als sich dieses noch auf dem Gipfel der Macht befand: Wien zu erobern. M. hatte von der Staatsräson her allerdings vertretbare Gründe für einen Krieg mit Kaiser Leopold I. Die seit längerer Zeit anhaltende allgemeine Unzufriedenheit führte 1678 im sog. königlichen Ungarn dazu, daß der nördliche Teil dieses Landes, Oberungarn, sich von den Habsburgern löste und unter Graf Imre Thököly ein Fürstentum bildete. Um gegen die Habsburger bestehen zu können, suchte Thököly um osmanischen Schutz nach, woraufhin er ins Vasallenverhältnis genommen und 1682 als ungarischer König anerkannt wurde. Als sich jedoch die Wiener Regierung wegen Schwierigkeiten mit Frankreich zu Zugeständnissen an das königliche Ungarn bereit erklärte, fiel die Bevölkerung größtenteils von Thököly ab. Für die Pforte bedeutete dies den Verlust eines Vasallenstaates, woraufhin der Krieg gegen Österreich eröffnet wurde. Zeitweilig sah es aus, als ob M.s Rechnung aufgehen würde: Am 14. Juli 1683 begann er mit der Belagerung Wiens, das Graf Starhemberg verteidigte. Im August war die Stadt völlig eingeschlossen, und man rechnete im osmanischen Lager schon mit einer baldigen Eroberung der Kaiserstadt. Sie konnte indessen durch ein Zusammenwirken von Johann III. Sobieski mit Karl V. Leopold von Lothringen entsetzt werden: Am 12. September 1683 erlitt das Osmanenheer am Kahlenberg eine vernichtende Niederlage, die drei Jahre später zum Verlust Ungarns führen sollte. M. hat dies allerdings nicht mehr erlebt: Auf dem Rückweg nach Istanbul wurde er am 25. Dezember in Belgrad wegen Versagens hingerichtet.

Literatur

Babinger, Franz: Kara Muṣṭafā Pasha. In: Enzyklopaedie des Islam. Bd 2. Leiden, Leipzig 1927, 807-808.
Kreutel, Richard F.: Ein zeitgenössischer türkischer Plan zur zweiten Belagerung Wiens. In: Wiener Z. Kde Morgenlandes 52 (1953) 212-228.
Sturminger, Walter: Bibliographie und Ikonographie der Türkenbelagerungen Wiens 1529 und 1683. Graz, Köln 1955.
Aktepe, M. Münir: Mustafa Paşa. In: Islâm Ansiklopedisi. Bd 8. Istanbul 1960, 736-738 (mit Bibliographie).
Stoye, John: The Siege of Vienna. London 1964. (Deutsche Ausgabe: Wien 1683 oder Die Rettung des Abendlandes. Wien, Düsseldorf 1967).
Kreutel, Richard F. (Übers, u. hrsg.): Kara Mustafa vor Wien. Das türkische Tagebuch der Belagerung Wiens 1683, verfaßt vom Zeremonienmeister der Hohen Pforte. Graz, Wien, Köln 1966(3).
Babinger, Franz: Qara Muṣṭafâ-Paschas Esseger Sendschreiben an den Markgrafen Herman von Baden. In: Ders.: Aufsätze und Abhandlungen zur Geschichte Südosteuropas und der Levante. Bd 2. München 1966, 17-26.
Sturminger, Walter (Hrsg.): Die Türken vor Wien in Augenzeugenberichten. Düsseldorf 1968.
Bartl, Peter: Der Kosakenstaat und das Osmanische Reich im 17. und in der ersten Hälfte des 18. Jahrhunderts. In: Südost-Forsch. 33 (1974) 166-194.

Verfasser

Josef Matuz (GND: 119025671)

GND: 118585975

Weiterführende Information (Deutsche Biographie): https://www.deutsche-biographie.de/pnd118585975.html


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Empfohlene Zitierweise: Josef Matuz, Mustafa Pascha, Kara, in: Biographisches Lexikon zur Geschichte Südosteuropas. Bd. 3. Hgg. Mathias Bernath / Felix von Schroeder. München 1979, S. 274-276 [Onlineausgabe]; URL: https://www.biolex.ios-regensburg.de/BioLexViewview.php?ID=1422, abgerufen am: (Abrufdatum)

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