Biographisches Lexikon zur Geschichte Südosteuropas

Filov, Bogdan Dimitrov
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Filov, Bogdan Dimitrov

Filov, Bogdan Dimitrov, bulgarischer Wissenschaftler und Politiker, * Stara Zagora 28.03.1883, † Sofia 1.02.1945.

Leben

F. studierte klassische Philologie in Freiburg/Br., Bonn, Rom und Paris. Nach Bulgarien zurückgekehrt wurde er Professor für Archäologie an der Universität „Sv. Kliment Ochridski“ in Sofia. 1920 wurde er Direktor des bulgarischen archäologischen Instituts, 1929 Mitglied der Bulgarischen Akademie der Wissenschaften, von 1937 bis 1944 deren Vorsitzender. Nachdem er bereits in der Regierung K’oseivanov Unterrichtsminister gewesen war, wurde F. am 16. Februar 1940 Ministerpräsident und blieb bis zum 9. September 1943 in diesem Amt. Danach wurde er zusammen mit Prinz Kiril und Kriegsminister Nikola Michov zum Regenten nach dem Tod des Zaren Boris III. gewählt.
F. war ein Vertreter der deutschfreundlichen Kreise in der bulgarischen Politik, darüberhinaus nahezu ein Werkzeug deutscher Interessen. Ein geheimer Bericht an Reichsaußenminister Joachim von Ribbentrop, verfaßt von dessen Berater Legationsrat Baron G. A. Steengracht van Moyland, charakterisierte ihn kurz vor der Regentenwahl (6.09.1943): „Ich glaube, daß wir Filoff, der sowohl durch die Politik des Königs wie durch die Durchführung der antijüdischen Maßnahmen festgelegt ist, vertrauen können.“ Damit wurde daran erinnert, daß unter der Regierung F. Anfang November 1940 Sondergesetze gegen die Juden beschlossen worden waren, die - wenn ihre Durchführung auch vergleichsweise milde ausfiel - eine getreue Kopie der deutschen Nürnberger Gesetze waren. Bis zum Juni 1943 waren aufgrund dieser Gesetze 20 000 Juden aus Sofia in die Provinz „abgeschoben“ worden, von wo aus sie deportiert werden sollten, was indessen durch den vereinten Widerstand des Königs und aller Bulgaren unterblieb. Unter F. trat - nach langem deutschen Druck und mehrfachen Unterredungen zwischen Hitler und F. - Bulgarien am 1. März 1941 dem Dreimächtepakt und am 28. November 1941 dem Antikominternpakt bei. Trotzdem ließ sich Bulgarien nie dazu bewegen, seine diplomatischen Beziehungen zur Sowjetunion abzubrechen. Obwohl das Land durch territoriale „Geschenke“, Waffenlieferungen, die Anwesenheit deutscher Truppen und seine Verstrickung in die deutschen Kriegspläne nahezu in den Stand eines deutschen Satelliten herabgesunken war, behielt es in gewissen Fragen dennoch immer einen eigenen Spielraum. Einerseits mußte die Regierung F. außenpolitische Rücksichten auf den Balkan nehmen, andererseits kam ihr entgegen, daß die ursprüngliche Deutschfreundlichkeit der Bulgaren nach Beginn des deutschen Rußlandfeldzugs von 1941 rapide sank. Hinzu kamen das immer stärker spürbare Wirken der bürgerlichen und der kommunistischen Opposition seit 1942 sowie eine zahlenmäßig schwache, jedoch nicht unwirksame Partisanentätigkeit. Mehrfach wurde F. von deutschen Stellen gedrängt, gegen diese Gruppen vorzugehen; diesen Wünschen entsprach er im Januar 1943 durch die Gründung der „Staatsgendarmerie“. Obwohl durch sie die Partisanentätigkeit zurückging, verschlechterte sich die Stimmung im Lande immer mehr. Ein weiterer Bericht Steengrachts vom 27. August 1943 schilderte die Lage: „Die allgemeine Stimmung in Bulgarien hat sich seit dem Frühjahr verschlechtert; insbesondere hat der Glauben an einen Sieg Deutschlands bei gewissen Bevölkerungskreisen nachgelassen. Im Zusammenhang damit tritt die Besorgnis über das eigene Schicksal auf.“ Jetzt begannen zwei Erscheinungen sich gegen F. zu wenden: zum einen seine schwache Persönlichkeit, die ihn nie in die Rolle eines „Führers“ hineinwachsen ließ, zum anderen das Fehlen der seit 1935 verbotenen Parteien, wodurch die jeweiligen Regierungen kaum Kontakt zum Volk hatten. Beiden Mängeln suchte F. im Sommer 1943 erfolglos durch die Gründung eines „Bulgarischen Nationalverbandes“ zu begegnen.
Unter dem Eindruck des rasch näherrückenden Krieges verstärkten sich die deutschfeindlichen Stimmungen in Bulgarien immer mehr; bald glaubte niemand mehr an einen deutschen Sieg, desto größere Illusionen machte man sich - begünstigt durch die sowjetische Propaganda - über ein etwaiges Zusammengehen mit der Sowjetunion. Am 4. September 1944 kam es zu vereinzelten Kämpfen zwischen deutschen und bulgarischen Truppen, woraufhin am 5. September um 15 Uhr die Beziehungen zu Deutschland abgebrochen wurden. Etwa zur gleichen Zeit erklärte die Sowjetunion Bulgarien den Krieg, das daraufhin seinen Truppen jeglichen Widerstand gegen die seit dem 8. September aus Rumänien einrückenden sowjetischen Truppen untersagte. Die am 9. September unter Kimon Georgiev aufgestellte Regierung der „Vaterländischen Front“ ließ F. wegen „volksfeindlicher Tätigkeit“ vor ein „Volksgericht“ stellen. Er wurde zum Tode verurteilt und am 1. Februar 1945 hingerichtet.

Literatur

[Auswärtiges Amt, Politisches Archiv (Bonn):] Akten der Jahre 1939-1944 (Büro des Staatssekretärs bzw. Unterstaatssekretärs, Akten betreffend Bulgarien).
Fabry, Philipp W.: Balkan-Wirren 1940-41. Darmstadt 1966. = Beiträge zur Wehrforschung. 9.10.
Hillgruber, Andreas: Staatsmänner und Diplomaten bei Hitler. Frankfurt/Main 1967.

Verfasser

Wolf Oschlies (GND: 107216760)

GND: 119091682

Weiterführende Information (Deutsche Biographie): https://www.deutsche-biographie.de/pnd119091682.html


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Empfohlene Zitierweise: Wolf Oschlies, Filov, Bogdan Dimitrov, in: Biographisches Lexikon zur Geschichte Südosteuropas. Bd. 1. Hgg. Mathias Bernath / Felix von Schroeder. München 1974, S. 515-516 [Onlineausgabe]; URL: https://www.biolex.ios-regensburg.de/BioLexViewview.php?ID=820, abgerufen am: (Abrufdatum)

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