Biographisches Lexikon zur Geschichte Südosteuropas

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Venelin, Jurij Ivanovič

Venelin, Jurij Ivanovic (eigentlich Georgij Hutza), ukrainischer Historiker und Folklorist, * Nagytibava (Havasalja, Velika Tibava, Komitat Bereg) 22.04.1802, † Moskau 26.03.1839.

Leben

V. war Sohn eines Priesters, der früh verstarb. Er bereitete sich für das Priesteramt vor, wandte sich jedoch 1822 an der Universität Lemberg dem Studium der Geschichte zu. Hier nahm er auch den Namen Jurij Venelin an. 1823 ging er nach Kisinev (Rußland), wo er zwei Jahre als Lehrer tätig war. Kontakte zu bulgarischen Siedlern in Bessarabien weckten in ihm ein dauerndes Interesse für die bulgarischen Probleme. Von 1825 bis 1829 studierte V. in Moskau Medizin und lernte hier führende Slawophilen (Sergej Aksakov, Michail Pogodin) kennen. 1829 erschien der erste Band seines Hauptwerkes „Drevnie i nynesnie boigare v politiceskom, narodopisnom, istoriceskom i religioznom ich otnosenie k rossianam“ (Die alten und heutigen Bulgaren in ihrer politischen, folkloristischen, historischen und religiösen Beziehung zu den Russen; der zweite Band aus dem Nachlaß 1841). Von 1830 bis 1831 reiste V. mit einem russischen Stipendium nach Rumänien und Nordostbulgarien, das damals von russischen Truppen besetzt war, um südslawische historische und volkskundliche Materialien zu sammeln. Als Ergebnis dieser Reise entstand die Edition „Vlacho-bolgarskie ili dako-slavjanskie gramoty“ (Wlacho-bulgarische oder dako-slawi- sche Herrscherurkunden, 1840). Weitere Arbeiten V.s sind: „O Charaktere narodnych pesen’ u slavjan zadunajskich“ (Über den Charakter der Volkslieder bei den Slawen südlich der Donau, 1835), „O zarodyse novoj bolgarskoj literatury“ (Uber die Anfänge der neubulgarischen Literatur, 2 Teile, 1838/41). V. versuchte u.a. auch, eine neubulgarische Grammatik zu verfassen.
V.s Tätigkeit ist durch die romantischen Vorstellungen der Slawophilen und eine tiefe Sympathie für das unterdrückte bulgarische Volk geprägt. Er zeichnet ein romantisches Bild der Bulgaren: Sie seien das größte slawische Volk nach den Russen; die Bulgaren (deren Namen V. vom Fluß Wolga ableitet) hätten die Russen von gotischer Herrschaft befreit und ihnen ihre Literatursprache gegeben; die Protobulgaren seien slawischer Abstammung (ursprünglich ein Zweig des russischen Volkes), die Hunnen ein Teil des großen slawo-bul- garischen Volkes gewesen usw. V. appelliert an die Russen, sich des vergessenen bulgarischen Volkes, von dem sie so viele Wohltaten erhalten hätten, zu erinnern und ihm in der Not beizustehen.
V.s Bild des Bulgarentums hält wissenschaftlicher Kritik nicht stand, doch haben seine Schriften für das Erwecken eines größeren Interesses für Bulgarien in der russischen Öffentlichkeit beigetragen und wichtige neue Impulse für den Prozeß der bulgarischen nationalen Wiedergeburt gegeben. Nach der Geschichte des Paisij Chilendarski (1762) erhielten die Bulgaren durch V. ein neues Idealbild ihrer Vergangenheit in einer Form, die dem neuen Bildungsstand der bulgarischen intellektuellen Schicht entsprach. V. hat führenden bulgarischen Intellektuellen (wichtig ist vor allem seine Verbindung mit Vasil Aprilov) entscheidende Anregungen für die Beschäftigung mit Fragen der bulgarischen Geschichte und Kultur gegeben. Er steht am Anfang der bulgarischen Folkloristik und Altertumskunde. V. hat u. a. die richtige Voraussage gemacht, daß eine neue bulgarische Literatur in den Emigrationszentren im Ausland entstehen werde.

Literatur

Zlatarski, Vasil N.: Jurij Ivanovič Venelin i značenieto mu za bŭlgarite. Sofija 1903.
Penev, Bojan: Istorija na novata bŭlgarska literatura. Bd 3. Sofija 1933.
Kohn, Hans: Die Slawen und der Westen. München 1956.
Arnaudov, Michail: Vasil Evstatievič Aprilov. Sofija 1971.

Verfasser

Dimiter Statkov (GND: 1051480892)

GND: 119379198

Weiterführende Information (Deutsche Biographie): https://www.deutsche-biographie.de/pnd119379198.html


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Empfohlene Zitierweise: Dimiter Statkov, Venelin, Jurij Ivanovič, in: Biographisches Lexikon zur Geschichte Südosteuropas. Bd. 4. Hgg. Mathias Bernath / Karl Nehring. München 1981, S. 404-405 [Onlineausgabe]; URL: https://www.biolex.ios-regensburg.de/BioLexViewview.php?ID=1840, abgerufen am: (Abrufdatum)

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