Biographisches Lexikon zur Geschichte Südosteuropas

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Përmeti, Turhan Pascha

Përmeti, Turhan Pascha, türkischer Diplomat und albanischer Politiker, * Përmeti ca. 1839, † 18.02.1927.

Leben

P. entstammte einer reichen Bürgerfamilie aus Përmeti. Er besuchte wie zahlreiche andere albanische Patrioten und Literaten (die Gebrüder Frashëri, Ismail Qemal Vlora, Abidin Pascha Dino-Preveza usw.) das griechische „Zosimea“-Gymnasium in Janina. Nach Beendigung des Gymnasiums ging er nach Istanbul, wo er im Außenministerium Beschäftigung fand. P. war volle 50 Jahre im türkischen diplomatischen Dienst, in Stellungen, die vom einfachen Sekretär bis zum Botschafter in verschiedenen europäischen Hauptstädten reichten; u. a. war er Botschafter in St. Petersburg, wo er das Vertrauen des Zaren gewann. Nach Eqrem Bey Vlora war er auch Minister in der türkischen Regierung, worüber sich in anderen Quellen aber keine Angaben finden. Um 1910 wurde er pensioniert und ließ sich in Istanbul nieder. 1912 oder 1913, er war bereits etwa 70 Jahre, ging er nach Albanien, wahrscheinlich, um in der schwierigen politischen Situation seinem Heimatland zu helfen: Als Karrierediplomat hatte er nämlich gute Beziehungen in allen europäischen Hauptstädten. Als eine 14köpfige Delegation mit Esad Pascha Toptani an der Spitze im Februar 1914 nach Neuwied fuhr, um dem Prinzen Wied die albanische Krone anzubieten, bildete P. auf Verlangen der Internationalen Kontrollkommission eine Provisorische Regierung in Albanien. Am 7. März 1914 kam Wied in Durazzo an und wurde von P. in seiner Eigenschaft als Regierungschef begrüßt. Am 17. März 1914 bildete Wied eine neue Regierung, an deren Spitze wiederum P. stand. Diese Regierung bestand aus Großgrundbesitzern und verschiedenen Stammesführern, von denen die meisten sich nur schwer mit den neuen Verhältnissen in Albanien zurechtfanden. P. selbst war, ähnlich wie Ismail Qemal Vlora vor ihm, zwar ein Mann von großem diplomatischen Können, der eine umfassende Bildung und hervorragende Umgangsformen besaß, er war auch ein guter Administrator, aber kein Mann der Praxis, und er kannte sich in den damaligen albanischen Verhältnissen zu wenig aus, wo die alten Feudalfamilien das Bild bestimmten und die Stammesorganisation Weiterbestand. In diesem Albanien war Esad Pascha Toptani, der die zwei wichtigsten Ressorts, das Innen- und das Kriegsministerium, an sich gerissen hatte, die einflußreichste Persönlichkeit. Gleichzeitig gab es innerhalb der Regierung zwei Strömungen - die eine orientierte sich mehr nach Wien, die andere nach Rom, was zweifellos ein Resultat der Einmischung Österreich-Ungarns und Italiens in die inneren Angelegenheiten Albaniens war.
Nach der Ankunft des Fürsten Wied verbesserten sich die Verhältnisse in Albanien nicht, sie wurden vielmehr von Tag zu Tag schlechter. Besonders schwierig war die Lage an der albanisch-griechischen Grenze, wo eine „Vorio-Epirotische Regierung“ unter griechischem Einfluß entstanden war, deren Ziel die Angliederung von Korfa und Gjirokastra an Griechenland war. Griechische Banden terrorisierten die muslimische Bevölkerung Südalbaniens. Die Muslime flüchteten zu Tausenden auf von der albanischen Regierung kontrolliertes Gebiet. Nicht gering war gleichfalls die Zahl der Flüchtlinge aus Kosovo. In Mittelalbanien kam es unter Haxhi Qamili zu einem Aufstand der muslimischen Bevölkerung gegen den Fürsten Wied.  Die Aufständischen, die unter dem Einfluß der Jungtürken standen, verlangten einen muslimischen Fürsten. Bereits im Mai 1914 fielen Tirana und Shijaku in die Hände der Aufständischen, die auch Durazzo anzugreifen begannen und bald auch alle anderen kleineren Städte Mittelalbaniens bis auf Berat und Pogradec gewannen. Esad Pascha wurde verdächtigt, mit den Aufständischen in Verbindung zu stehen und deshalb von der Internationalen Gendarmerie gezwungen, Albanien zu verlassen und nach Italien ins Exil zu gehen. Nach der Abreise Esad Paschas (29.05.) bildete P. seine Regierung um: Myfit Libohova, Hasan Prishtina, Dr. Adamidi und Azis Pascha Vrioni schieden aus, und als neue Regierungsmitglieder wurden Aqif Pascha Biçaku, Midhat Frashëri und Dr. Mihal Turtulli aufgenommen. Als sich die Lage immer noch nicht besserte, unternahm die Regierung eine Demarche bei den Mächten, die die Unabhängigkeit Albaniens garantiert hatten. Sie erhielt aber keinerlei Antwort. Ende Juli 1914 besuchte P. verschiedene europäische Hauptstädte und bat um finanzielle und militärische Hilfe für Albanien; da aber der Krieg zwischen Österreich-Ungarn und Serbien bereits begonnen hatte und der Erste Weltkrieg quasi vor der Tür stand, interessierte sich niemand für das Schicksal Albaniens. Selbst einige auf der Botschafterkonferenz von 1913 gegebene finanzielle Zusagen wurden nicht erfüllt. Als dann noch Valona von der Regierung Wied abfiel und diese auch noch die Unterstützung Österreich-Ungarns verlor, da sie nicht in den Krieg gegen Serbien eintreten wollte, verließ Fürst Wied am 4. September 1914 Albanien. Mit ihm reisten P. und einige andere Mitglieder der Regierung. Die Kriegsjahre verbrachte P. in Italien und in der Schweiz. Bei Kriegsende formierte sich dann in Rom ein albanisches Komitee unter dem Vorsitz von P., dem u. a. Myfit Libohova, Mehmed Konica und Dr. Turtulli angehörten. Dieses Komitee begann Verhandlungen mit der italienischen Regierung und versuchte sie für die Einsetzung einer Provisorischen Regierung in Italien zu gewinnen. Italien, das befürchtete, bei den Verbündeten Verdacht zu erregen, riet dazu, daß einige Leute nach Durazzo reisen, um dort einen Nationalrat zu gründen, der dann eine Regierung bilden sollte, um die Interessen Albaniens auf der Friedenskonferenz in Paris zu vertreten. Am 25. Dezember 1918 kamen Myfit Libohova und Mehmed Konica in Durazzo an und organisierten dort am 1. Januar 1919 eine Nationalversammlung, die eine Provisorische Regierung unter dem Vorsitz von P. bildete. Vizepräsident dieser Regierung wurde Preng Bibë Doda, Minister waren bekannte Persönlichkeiten wie Fejzi Alizoti und Mustafa Kruja, alle bekannt als Befürworter einer proitalienischen Orientierung. Die Nationalversammlung von Durazzo bestimmte eine Kommission, die die Rechte Albaniens auf der Friedenskonferenz vertreten sollte. Diese Kommission, an deren Spitze P. stand, begab sich nach Paris, und bereits am 15. Februar 1919 übergab P. dort sein erstes Memorandum über die albanischen Forderungen, und am 24. Februar ein zweites, das darauf hinwies, daß über die Unabhängigkeit Albaniens zwar bereits 1913 entschieden wurde, daß aber die bisherigen ungerechten Grenzen revidiert werden müßten. Am 7. März 1919 unterbreitete P., unterstützt von der Mehrheit der albanischen Delegierten, der Konferenz ein Memorandum, das die Unterstellung von Teilen Griechenlands und des heutigen Jugoslawien, die überwiegend albanisch besiedelt waren, unter eine auf zwei Jahre befristete amerikanische Verwaltung vorschlug. In diesen Gebieten sollte dann eine Volksabstimmung stattfinden. Im August 1919 kam es indes innerhalb der albanischen Delegation zu einer Spaltung: Die eine Gruppe, der auch P. angehörte, war proitalienisch und trachtete danach, sich wegen der von Griechenland und Jugoslawien drohenden Gefahr enger an Italien anzuschließen. Die andere Gruppe war antiitalienisch eingestellt und verlangte die Räumung Valonas durch die Italiener. Als sich im Januar 1920 Frankreich und England über die Aufteilung Albaniens einigten, fand in Lushnja vom 21. bis 31. Januar 1920 ein gesamtalbanischer Kongreß statt, der alle Pläne zur Aufteilung Albaniens verwarf und auf seiner Unabhängigkeit bestand. Der Kongreß von Lushnja sprach der Regierung von Durazzo das Mißtrauen aus und bildete eine neue Regierung mit Sulejman Delvina an der Spitze. Der Kongreß bestimmte gleidizeitig eine neue Kommission für die Pariser Friedenskonferenz; sie bestand aus Mehmed Konica, Mihal Turtulli und Bischof Luigj Bumçi. Die politische Karriere P.s war damit beendet; über sein weiteres Schicksal fehlen die Angaben. Auf der politischen Bühne Albaniens tauchte jetzt Ahmed Zogu auf, der in der Regierung Delvina das Innenministerium übernommen hatte.

Literatur

Ermenji, Abas: Vendi që zë Skënderbeu në historinë e Shqipërisë. Paris 1968, 343-382.
Historia e popullit shqiptar. Bd 2. Prishtina 1969.
Vlora, Eqrem Bey: Lebenserinnerungen. Bd 2. München 1973.

Verfasser

Hasan Kaleshi (GND: 1084144948)


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Empfohlene Zitierweise: Hasan Kaleshi, Përmeti, Turhan Pascha, in: Biographisches Lexikon zur Geschichte Südosteuropas. Bd. 3. Hgg. Mathias Bernath / Felix von Schroeder. München 1979, S. 425-427 [Onlineausgabe]; URL: https://www.biolex.ios-regensburg.de/BioLexViewview.php?ID=1515, abgerufen am: (Abrufdatum)

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