Biographisches Lexikon zur Geschichte Südosteuropas

Nedić, Milan Dj.
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Nedić, Milan Dj.

Nedić, Milan Dj., General der jugoslawischen Armee, serbischer Ministerpräsident 1941-1944, * Grocka 20.08.1877, † (Selbstmord) Belgrad 04.02.1946.

Leben

N. trat nach dem Besuch des Gymnasiums von Kragujevac im September 1895 in die serbische Militärakademie ein, wurde 1905-1908 zum Generalstabsdienst ausgebildet und diente anschließend zwei Jahre als königlicher Ordonnanzoffizier. 1910-1911 hielt er sich zur weiteren Ausbildung in Frankreich auf, nahm als Oberstleutnant im Generalstab an den Balkankriegen teil und war im Ersten Weltkrieg als Brigadekommandant an der Saloniki-Front eingesetzt (vgl. dazu seine Arbeiten „Srpska vojska i Solunska ofanziva“ [Die serbische Armee und die Saloniki-Offensive, Belgrad 1932] und „Srpska vojska na albanskoj Golgoti“ [Die serbische Armee auf dem albanischen Golgatha, Belgrad 1937]). 1919-1920 und 1921 war er als Stabschef des IV. Armeebezirks mit Sitz in Zagreb eingeteilt, wurde 1923 zum Divisionsgeneral befördert und war 1924-1925 Kommandant des Divisionsbezirks Timok. Anschließend war er in verschiedenen Stellungen, im Nationalen Verteidigungsrat und im Obersten Generalstab, tätig und übernahm in der Regierung Cvetković-Maček am 26. August 1939 als Nachfolger seines jüngeren Bruders Milutin Dj. N. das Armee- und Marineministerium. Wegen Kritik an der unentschlossenen Bündniskonzeption der Regierung und ihren strategischen Konsequenzen schied er Anfang November 1940 aus dem Ressort aus und wurde unter Hausarrest gestellt. Nach der Aufteilung Jugoslawiens im Anschluß an den Aprilfeldzug 1941 kam Serbien (etwa in den Grenzen vor dem ersten Balkankrieg: „Pretkumanovska Srbija“) unter deutsche Militärverwaltung. Das okkupierte Gebiet hatte eine Ausdehnung von etwa 51 000 qkm mit 3,5-4 Millionen Einwohnern. Der nationalen Zusammensetzung nach handelte es sich zum ganz überwiegenden Teil um Serben, von denen weitere fast zwei Millionen außerhalb Serbiens auf dem Territorium des „Unabhängigen Staates Kroatien“ (USK) verblieben. Die oberste vollziehende Gewalt im serbischen Restgebiet fiel dem deutschen Militärbefehlshaber Serbien (MBS) bzw. ab Herbst 1941 dem Bevollmächtigten Kommandierenden General (Bev.Kdr.Gen.) mit Sitz in Belgrad zu. Zur Durchführung notwendiger administrativer Maßnahmen (vor allem im Versorgungsbereich) wurde aus einheimischen Kräften am 30. April 1941 der „Kommissarische Rat im besetzten Serbien“ unter dem ehemaligen (Dezember 1938 - Februar 1939) jugoslawischen Innenminister Milan Aćimović gebildet. Die geringe Autorität dieser „Regierung“, der wachsende Widerstand im Lande, die daraufhin von der Besatzungsmacht durchgeführten Vergeltungsmaßnahmen und die steigenden Besatzungskosten machten Aćimovićs Stellung bereits im August 1941 unhaltbar. Da die deutschen Militärorgane mit einer truppenmäßigen Verstärkung nicht rechnen konnten, schien es dringend geboten, eine neue Regierung unter einer starken Persönlichkeit ins Leben zu rufen. Nach Absprache mit dem MBS, General Heinrich Danckelmann, wurde am 29. August die Regierung N. gebildet, in der Aćimović das Amt des „Innenministers“ (bis September 1942) behielt. Um N.s Stellung zu stärken, erhielt er den Titel eines „Ministerpräsidenten“, doch wurde gleichzeitig sichergestellt, daß „de facto das neue Regierungsgremium keine weiteren sachlichen Befugnisse erhält als die bisherige Kommissariatsregierung“. N., der sein Amt auf Drängen bekannter serbischer Persönlichkeiten übernommen hatte, stützte sich vor allem auf die christlich-nationale Zbor-Bewegung Dimitrije Ljotićs, auf ehemalige Parteigänger Milan Stojadinovićs, die in Südserbien operierenden Četnici des Kosta Pećanac und Mitglieder des jugoslawischen Offizierskorps. Zu den Hauptaufgaben der N.-Regierung gehörte die Niederschlagung der Aufstandsbewegung. Durch Einsatz einheimischer Kräfte hoffte N. gleichermaßen, a) eine weitere Dezimierung des serbischen Volkes durch die Vergeltungsmaßnahmen der Okkupationstruppen zu verhindern (durch OKW-Befehl Nr. 888 /41 vom 16. September 1941 wurde die Hinrichtung von 50-100 Zivilpersonen für einen getöteten deutschen Soldaten angeordnet), b) einer Übergabe serbischer Gebietsteile an die bulgarische Besatzungsarmee im Süden zuvorzukommen und c) eine Erstarkung der kommunistischen Bewegung unter allen Umständen durch Zusammenfassung der „nationalen“ Kräfte (Nedić-, Ljotić-, Pećanac- und Mihailović-Anhänger) zu vereiteln. Diesen Zwecken sollte der Einsatz von Gendarmerie, des Serbischen Freiwilligen-Korps (Srpski dobrovoljački korpus = SDK) und der etwas später (Februar 1942) gegründeten Serbischen Staatswache (Srpska državna straža = SDS, Ljotić-Anhänger) dienen. Die gestellten Ziele wurden jedoch im wesentlichen nicht erreicht: 1.) die deutschen Vergeltungsmaßnahmen erlangten im Herbst 1941 unter dem Bev.Kdr.Gen. in Serbien, General der Infanterie Franz Boehme, mit den Massenhinrichtungen in Kraljevo und Kragujevac (2. Oktoberhälfte) ihren Höhepunkt, 2.) ab 30. Dezember 1941 wurden fünf Kreise in Südostserbien nach Aufforderung durch die militärische Führung des Reiches vom I. Bulgarischen Okkupationskorps unter General Asen Nikolov besetzt, 3.) eine generelle Einigung mit Draža Mihailović schlug trotz gelegentlicher Kontakte und materieller Unterstützung einzelner Četnici-Abteilungen durch die N.-Administration fehl. Doch konnten im Anschluß an die von der Besatzungsmacht unter Beteiligung einheimischer Verbände durchgeführte Liquidierung der „Republik von Užice“ bei einer „Säuberungsaktion“ gegen die Reste von Titos Volksbefreiungsbewegung (VBB) in Westserbien Anfang 1942 einige nennenswerte Erfolge durch die N.-Verbände und „legalisierte“ Četnici-Gruppen erzielt werden. Ein besonderes Problem der Belgrader Regierung bildete die Sorge um die außerhalb des okkupierten Serbien verbliebenen Landsleute. Infolge der antiserbischen Maßnahmen im USK trafen bis Ende 1941 bereits über 300 000 Flüchtlinge in Serbien ein. Der Versuch N.s vom Februar 1942, 17 Bezirke Ostbosniens und der Herzegowina, die im wesentlichen vom dortigen Četnici-Kommandanten Jezdimir Dangić kontrolliert wurden, der serbischen Verwaltung zu unterstellen, scheiterte am Widerstand der Zagreber Regierung und der Ablehnung Hitlers. Die Versorgung der Flüchtlinge belastete die materiellen Möglichkeiten des infolge des Krieges und der Unruhen geschwächten Landes um so mehr, als auch der deutsche Generalbevollmächtigte für die Wirtschaft in Serbien, Franz Neuhausen, wiederholt landwirtschaftliche Produkte zur Verwendung außerhalb des Landes beschlagnahmte. Dieser Umstand, ferner die bereits erwähnten Vergeltungsmaßnahmen im Herbst 1941, der Einmarsch bulgarischer Okkupationstruppen in Südostserbien und die im Verlauf 1942 vom neu eingesetzten Höheren SS- und Polizeiführer in Serbien, SS-Gruppenführer August Meyszner, eingeschränkte Verfügungsgewalt über die bewaffneten serbischen Verbände waren mehrmals Anlaß zu ernsten Krisen der N.-Regierung. Ein am 20. September 1942 überreichtes Memorandum war gleichbedeutend mit dem kollektiven Rücktritt der serbischen Regierung, wurde jedoch vom Bev.Kdr.Gen. in Serbien Paul Bader abgelehnt. Trotz nur geringfügiger deutscher Zugeständnisse blieb N. weiter im Amt, konnte aber auch künftige Vergeltungsmaßnahmen und Verfolgungen nicht verhindern und nur in seltenen Fällen mildern. Erst am 19. September 1943 bot sich N. Gelegenheit zu Unterredungen mit Reichsaußenminister Joachim von Ribbentrop und Hitler in Berlin. Die daran geknüpften Hoffnungen (Erweiterung der Kompetenzen für die serbische Regierung und territoriale Zugeständnisse) erfüllten sich jedoch nicht. Auch die nach der Einsetzung des deutschen „Sonderbevollmächtigten für den Südosten“, Hermann Neubacher, im Herbst 1943 wieder verstärkt aufgenommenen Bemühungen, zu einer generellen Einigung zwischen N. und Mihailović zu gelangen, scheiterten zunächst an der Haltung der nationalsozialistischen Führung, die die Mihailović-Bewegung auch weiterhin als Gegner betrachtete. Dennoch kam es ab Frühjahr 1944 zu einer teilweisen Zusammenarbeit und im September d. J. zu einer tatsächlichen Vereinigung aller „nationalen“ Kräfte und damit zu einer gemeinsamen Front gegen die VBB. Mit dem Abzug der deutschen Truppen aus Serbien im Oktober 1944 verließen auch die Regierung N. und ihre bewaffneten Verbände das Land und zogen sich über Syrmien nach Slowenien zurück. Am 20. Oktober wurde Belgrad von Einheiten der Roten Armee und der VBB eingenommen. N. selbst wurde nach Kriegsende von den USA an die jugoslawischen Behörden ausgeliefert und als Kollaborateur in Untersuchungshaft genommen. Am 4. Februar 1946 verübte er Selbstmord.

Literatur

Matl, Josef: Jugoslawien im Zweiten Weltkrieg. In: Osteuropa-Handbuch: Jugoslawien. Hrsg. Werner Markert. Köln, Graz 1954, 99-121.
Marjanović, Jovan: Ustanak i Narodnooslobodilački pokret u Srbiji 1941. Beograd 1963.
Krakov, Stanislav: General Milan Nedić. 2 Bde. München 1963/68.
Wüscht, Johann: Jugoslawien und das Dritte Reich. Eine dokumentierte Geschichte der deutsch-jugoslawischen Beziehungen von 1933 bis 1945. Stuttgart 1969.
Čulinović, Ferdo: Okupatorska podjela Jugoslavije. Beograd 1970.
Glišić, Venceslav: Teror i zločine nacističke Nemačke u Srbiji 1941-1944. Beograd 1970.
Milovanović, Nikola: Generali izdaje. Beograd 1977.

Verfasser

Holm Sundhaussen (GND: 120956055)

GND: 119366703

Weiterführende Information (Deutsche Biographie): https://www.deutsche-biographie.de/pnd119366703.html


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Empfohlene Zitierweise: Holm Sundhaussen, Nedić, Milan Dj., in: Biographisches Lexikon zur Geschichte Südosteuropas. Bd. 3. Hgg. Mathias Bernath / Felix von Schroeder. München 1979, S. 298-301 [Onlineausgabe]; URL: https://www.biolex.ios-regensburg.de/BioLexViewview.php?ID=1441, abgerufen am: (Abrufdatum)

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